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Bärlauch-Kimchi (+ Anleitung Milchsäuregärung)

An meinem Bärlauchplatz ist inzwischen ein richtiger Wald aus den Pflanzen entstanden – so eine Fülle muss man nutzen! Bärlauch (Allium ursinum, Amaryllidaceae) lässt sich z.B. zuverlässig fermentieren, unter anderem in Kimchi. Fermentieren? Kimchi? Was das ist? Okay, gehen wir nochmal einen Schritt zurück: Schokolade, Kaffee, Schwarztee, Wein, Essig, Sojasauce, Miso, Kombucha, Tempeh, Kefir, Salami – wir essen täglich fermentierte Lebensmittel, Lebensmittel, die im weitesten Sinne der Fermentation durch die Einwirkung von Mikroorganismen wie Hefen, Bakterien oder Schimmelpilzen entstehen.

Eine engere Definition der Fermentation bezeichnet die Aktivität von Mikroorganismen, die unter Abwesenheit von Sauerstoff Zucker in ein anderes Produkt umwandeln [1]. Die jahrtausendealte Konservierungsmethode der Milchsäuregärung (engl. lacto-fermentation) ist ein solcher Prozess. Dabei setzen Milchsäurebakterien (Laktobazillen) Zucker unter Sauerstoffausschluss zu Michsäure und weiteren Produkten um, so dass wir Joghurt, Käse, Sauerteigbrot, Sauerkraut und (milch-)saure Gurken genießen können [1]. Oder Kimchi, die Nationalspeise der Koreaner – wenn man so will, eine scharfe Variante unseres Sauerkrauts. Das traditionelle Gericht gibt es in den unterschiedlichsten Ausführungen. Elemente, die enthalten sein können, sind neben Weiß- oder Chinakohl, Möhren, Gurke, Zwiebeln, Frühlingszwiebeln, Rettich, Chilis, Ingwer, Knoblauch, manchmal auch Garnelenpaste, fermentierte Sardellen oder Fischsauce [2–4].

Milchsäurebakterien findet man fast überall. Der weiße Belag auf Weintrauben besteht aus ihnen [5]. Natürlich sind sie auch auf Wildpflanzen vorhanden, von denen sich außer Bärlauch viele hervorragend für die Milchsäuregärung eignen: z.B. Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata, Brassicaceae), Löwenzahn (Taraxacum sect. Ruderalia), Giersch (Aegopodium podagraria, Apiaceae) oder Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium, Apiaceae) [4, 6, 7]. Trotzdem solltest du nicht einfach jedes essbare Wildkraut fermentieren, das du findest: Unterzieht man Steinklee (Melilotus spec., Fabaceae) diesem Prozess, entsteht Dicumarol, ein Antikoagulans, das auch als Rattengift eingesetzt wird. Hohe Konzentrationen führen zu spontanen inneren Blutungen [2, 8].

Baerlauch-Wald
Bärlauch Anfang März (Allium ursinum, Amaryllidaceae)

Jetzt fragst du vielleicht, warum du dich überhaupt auf die Milchsäuregärung einlassen solltest? Schließlich gibt es seit Ende der 1950er Jahre Tiefkühlkost zu kaufen, sodass wir jederzeit mit Blattspinat, Erbsen und Co. versorgt sind. Eingeflogen wird sowieso ganzjährig jede Obst- und Gemüsesorte, die man sich nur wünschen kann. Wir müssen keine Vorräte aus Sauerkraut anlegen, um auch in den Wintermonaten mit Vitamin C versorgt zu sein. Und außerdem: Kimchi und Sauerkraut kann man ja kaufen!

Ich fermentiere, weil es unglaublich Spaß macht, ein lebendiges Lebensmittel herzustellen, das in der Küche vor sich hin blubbert! Milchsauer eingelegtes Gemüse im Supermarkt wird höchstens als Sauerkraut und Kimchi angeboten. Diese Produkte sind in der Regel pasteurisiert, somit sind die wertvollen Milchsäurebakterien abgetötet und hitzeempfindliches Vitamin C zerstört. Vor allem wenn man essbare Wildpflanzen verwendet, eröffnen milchsaure Fermente eine ganz neue Welt an Aromen. Außerdem werden sie als besonders wichtig für eine gesunde Darmflora erachtet [5]. Sie sind leichter verdaulich, Inhaltsstoffe der eingesetzten Gemüse wie Vitamin C sind auch nach der Milchsäuregärung vorhanden, manche wie Vitamin B2 und B6 nehmen sogar zu [4, 5]. Obendrein ist es unglaublich einfach, schnell und verbraucht keine Energie milchsauer vergorene Lebensmittel herzustellen: Du brauchst ein Glas, das sich verschließen lässt, Salz (idealerweise unbehandeltes Meer- oder Steinsalz, Obst und/oder Gemüse (ungespritzt, nicht gewachst, am besten aus ökologischem Anbau) – das war’s!

Baerlauch
Bärlauch Mitte März (Allium ursinum, Amaryllidaceae)

Du musst auch keine Angst vor Krankheitserregern haben: Davor schützen Salz und Sauerstoffentzug! Salz entzieht dem Gemüse/Obst Wasser, sodass alles mit Flüssigkeit bedeckt ist und kein Sauerstoff Zugang hat. Außerdem bewahrt es dein Ferment vor Fäulnis und Schimmel, bis sich die Milchsäurebakterien durchgesetzt haben: Clostridium botulinum, ein Bakterium, das Botulismus auslösen kann, wächst zwar anaerob aber nicht in salziger und saurer Umgebung. Milchsäurebakterien benötigen kein Salz, aber sie tolerieren es. Sie setzen die im Gemüse vorhandenen Kohlenhydrate nach und nach zu Milchsäure und Kohlendioxid um und sorgen für eine zunehmend saure Umgebung. In diesem sauren Milieu können sauerstoffabhängige Fäulnisbakterien nicht mehr wachsen. [5]

Die empfohlene Salzmenge liegt bei 2% des gewaschenen, nicht geschrubbten und vorbereiteten (geschält, entkernt etc.) Gemüses/Obsts [1, 3]. Die Zutaten raspelst du oder schneidest sie klein, vermischt sie mit Salz und knetest das Ganze mit sauberen Händen, bis sich Flüssigkeit bildet. Gegebenenfalls kannst du es 30 Minuten stehen lassen, damit das Salz noch mehr Wasser zieht. Anschließend schichtest du das Gemüse möglichst dicht in ein Glas, sodass keine Luft gefüllten Räume dazwischen zurückbleiben. Mit der Faust oder dem flachen Ende eines Nudelholzes kannst du die Masse nach unten drücken. Zuletzt beschwerst du die Zutaten z.B. mit einem kleinen Glasdeckel oder Kohlblatt, damit sie unter der Flüssigkeit bleiben und nicht aufschwimmen. Falls der Flüssigkeitsspiegel nicht über dem Gemüse steht, kannst du eine 4%-ige Salzlösung zum Bedecken herstellen (4 g Salz auf 100 ml Wasser). Zum oberen Glasrand sollten etwa 1–2 cm Platz bleiben.

Baerlauch-Kimchi-vor-Fermentation
Bärlauch-Kimchi vor der Fermentation
Baerlauch-Kimchi-Fried-Rice
Gebratener Bärlauch-Kimchi Reis

Nun verschließt du das Glas und stellst es auf einen Untersetzer, um eventuell austretende Gärflüssigkeit aufzufangen. Du lagerst es bei Raumtemperatur, bis die Gärung in Gang gekommen ist. Im Inneren spielt sich Folgendes ab: Natürlicherweise vorhandene Hefen, Schimmelpilze und verschiedene Bakterien verbrauchen den Sauerstoff im Glas. Dabei wird Kohlendioxid freigesetzt (das siehst du am Blubbern!) und es entstehen anaerobe Bedingungen. Jetzt fangen die Milchsäurebakterien an zu dominieren. Nach 5–7 Tagen kannst du probieren, ob der Inhalt schon schmeckt oder ob du es noch saurer magst. Sobald du zufrieden bist, stellst du das Glas in den Kühlschrank oder Keller, wo sich das milchsaure Lebensmittel Monate hält. Achte darauf, dass der Inhalt immer vollständig mit Flüssigkeit bedeckt ist. Die niedrige Temperatur verlangsamt die Fermentation deutlich und verhindert eine zu starke Nachsäuerung. Die Milchsauregärung geht nämlich so lange weiter, bis der Zucker weitgehend verbraucht ist. [5]

Ich stelle milchsaure Fermente wie Bärlauch-Kimchi am liebsten in 1/2-Liter- oder 1-Liter-Einmachgläsern mit Gummidichtung und Verschlussklammern her: Sie lassen Überdruck und bei heftiger Reaktion Gärflüssigkeit raus, aber sie schließen wirklich dicht und lassen keine Luft hinein. Das entstehende Kohlendioxid liegt als Schutzschicht auf dem Inhalt, der sich einwandfrei hält, solange das Glas geschlossen bleibt. Wenn du Bügelgläser oder Twist-Off Gläser mit Schraubverschluss verwendest, solltest du unbedingt täglich den Deckel leicht aufdrehen, um Gas rauszulassen, damit das Glas nicht explodiert! Um große Mengen milchsauer vergorene Lebensmittel herzustellen, gibt es Gärtöpfe aus Steinzeug mit einer Wasserrinne, die Gas entweichen aber nicht hineinlassen.

Fehlt eigentlich nur noch die Info, wie du dein selbstgemachtes Bärlauch-Kimchi verspeist: Als scharfe Beilage z.B. zu Burgern oder Tacos, in Bärlauch-Kimchi Pfannkuchen, im Salat und der Suppe. Oder als gebratener Bärlauch-Kimchi Reis (Foto oben rechts)! Dafür brätst du Kimchi und Reis (frisch gekocht und leicht abgekühlt oder vom Vortag aus dem Kühlschrank) zu gleichen Teilen in etwas Öl scharf an und servierst mit einem Mix aus Sesam, getrockneten Meeresalgen, Bärlauchstreifen oder Frühlingszwiebeln. Ein Spiegelei schmeckt auch dazu!

PS: Du möchtest alle Handgriffe der Milchsäuregärung in Bildern sehen? In einem Interview mit dem lokalen Sender Allround-TV habe ich demonstriert, wie man ein wildes Löwenzahn-Ferment herstellt. Schau doch mal rein!

Baerlauch-Kimchi-Gebratener-Reis

BÄRLAUCH-KIMCHI

ERGIBT EIN 500 ml GLAS
glutenfrei, vegan

1 kleiner (450 g) Chinakohl
1 Bund (60 g) Bärlauch in schmale Streifen geschnitten
1/2 Chilischote, in feinen Ringen
2 cm Stück Ingwer, gerieben
Abrieb und Saft von 1/2 Zitrone
1 El geräuchertes Paprikapulver
Salz, Wasser

 

Chinakohl vierteln, den Strunk entfernen, in 2 cm breite Stücke schneiden. Chilischote, Ingwer, Zitronenabrieb und -saft sowie Paprikapulver im Mörser zu einer Paste verreiben. Chinakohl, Bärlauch, Gewürzpaste zusammen abwiegen und 2% des Gewichts (ca. 10 g) an Salz dazugeben. Alles mit den Händen kneten und massieren, bis sich Lake bildet. Das Ganze fest in ein kochend heiß ausgewaschenes Einmachglas schichten, immer wieder nachdrücken, sodass keine Luftblasen zwischen den Gemüsestücken entstehen. Mit einem Gewicht beschweren (z.B. ein Deckel eines kleineren Einmachglases oder ein Kohlblatt). Falls die gemüseeigene Lake nicht alles vollständig bedeckt, eine 4%-ige Salzlake darübergießen (4 g Salz auf 100 ml Wasser). Bis zum oberen Glasrand sollten ca. 1–2 cm Platz bleiben. Das Glas verschließen und etwa 10 Tage bei Zimmertemperatur fermentieren lassen. Anschließend kühl und dunkel lagern – so hält sich Bärlauch-Kimchi mehrere Monate.

Im Umgang mit essbaren Wildpflanzen gilt: Sammle nur, was du hundertprozentig bestimmen kannst und nicht unter Naturschutz steht. Probier erst eine kleine Menge, wenn du eine Wildpflanze zum ersten Mal zu dir nimmst. Recherchiere potentielle Kontraindikationen, z.B. bei Medikamenteneinnahme, Schwangerschaft oder Allergien. Für Schäden kann keine Haftung übernommen werden.

Literatur

[1] Redzepi, R, Zilber, D.: The Noma Guide to Fermentation. Artisan, New York 2018.
[2] Baudar, P.: The New Wildcrafted Cuisine: Exploring the Exotic Gastronomy of Local Terroir. Chelsea Green Publishing, White River Junction 2016.
[3] Diacono, M.: Sour/the magical element that will transform your cooking. Quadrille, London 2019.
[4] Katz, S. E.: The Art of Fermentation. Chelsea Green Publishing, White River Junction 2012.
[5] Lorenz-Ladener, C.: Milchsauer eingelegt – Gemüse gesund und schnell haltbarmachen. ökobuch Verlag, Staufen bei Freiburg 2014.
[6] Fleischhauer, S. G., Guthmann, J., Spiegelberger, R.: Enzyklopädie essbare Wildpflanzen. AT Verlag, Aarau und München, 2016.
[7] Strauß, M.: Die 12 wichtigsten essbaren Wildpflanzen: bestimmen, sammeln, zubereiten. Walter Hädecke Verlag, Weil der Stadt 2010.
[8] Elpel, T. J.: Botany in a Day APG – The Patterns Method of Plant Identification. HOPS Press, Pony 2018.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Molas

    Für heute Mittag waren eh Bärlauch Spätzle geplant, da werden wir gleich mehr sammeln gehen.
    Was macht man nach den 10 Tagen fermentieren? Muss man dann den Deckel nicht mehr regelmäßig aufdrehen?
    LG Iris

    1. Julia Hecht

      Liebe Iris, sobald du das Glas an einen kühlen Ort gebracht hast, sollte nicht mehr so viel Gas entstehen, dass du täglich aufdrehen musst. Ab und an würde ich trotzdem nach dem Rechten sehen. Liebe Grüße, Julia

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