Als Pflanzensammler gilt es, sich an dem zu erfreuen, was man findet (und nicht dem hinterher zu trauern, was man nicht findet), spontan zu sein und sich ein paar Konservierungsmethoden anzueignen. Vor einigen Tagen leuchtete mir plötzlich ein herrlich duftender, weißer Wolkentraum aus den lang gestielten, einzelnen Blüten der Kirschpflaume (Prunus cerasifera, Rosaceae) entgegen. Das bereits geplante Rezept für diese Woche habe ich spontan auf nächste verschoben und das Aroma der zarten Blüten in einem Sirup eingefangen. Es erinnert mich sehr an eins meiner absoluten Lieblingsgetränke: Grüner Tee mit Jasminblüten. Der Kirschpflaumen-Blütensirup hat zusätzlich noch ein feines Mandelaroma – unbedingt probieren!
Streng genommen ist die Kirschpflaume bei uns keine Wildpflanze: Sie wurde vor 400 Jahren in Mitteleuropa als Obstbaum aus dem Balkan und Klein- bis Mittelasien eingeführt. Heute ist sie verwildert an Feldwegen, in Weinbergen oder ehemaligen Streuobstwiesen zu finden – sie bevorzugt sonnige Standorte. Häufig wird sie als Windschutz angebaut, da sie mit ihren Ausläufern dichte Hecken bildet. Auch als Propfunterlage vieler Pflaumensorten kommt sie zum Einsatz. Die Kirschpflaume wird 5–8 m hoch, ihre Zweige sind mit bis zu 2 cm langen Dornen besetzt. Ihre Blätter sind eiförmig und werden 5–7 cm lang. [1, 2]
Kirschpflaumen blühen vor dem Laubaustrieb bereits sehr früh im Jahr, sogar noch vor der Schlehe (Prunus spinosa), deren Äste viel stärker mit Dornen besetzt sind. Du kannst sie eigentlich weder übersehen noch verwechseln. Bestimmt kennst du auch die Zierform Prunus cerasifera `Nigra´, die wegen der rotbraunen Blätter und rötlichen Blüten als Blutpflaume bekannt ist. Am besten merkst du dir jetzt die Standorte, dann kannst du im August/September die rot, gelb oder violett gefärbten Kirschpflaumen ernten. Für alle, die an botanischen Feinheiten interessiert sind: Die Blütenstiele der Kirschpflaume sind im Gegensatz zu denen der Pflaume/Zwetschge (Prunus domestica) kahl. Süß- und Sauerkirsche (Prunus avium bzw. Prunus cerasus) besitzen 3- bis mehrblütige Blütenstände, keine Einzelblüten. [1–3]
Außer für Sirup eignen sich die Blüten der Kirschpflaume zum Kandieren, als Tee und zum Aromatisieren von Zucker oder Dessertcreme/Pudding [4, 5]. Aufgrund der frühen Blüte ist die Kirschpflaume jedoch eine wichtige Nahrungsquelle für Insekten – wir sollten also nicht zu viel davon ernten.
PS: Die Kirschpflaumen in deiner Gegend haben schon Fruchtansätze? Die Blüten von weiteren Arten aus der Gattung Prunus wie Kirschen, Pflaumen und Schlehen, von Apfelbäumen (Malus spec., Rosaceae), Weißdorn (Crataegus spec., Rosaceae) und später im Jahr von Heckenrose (Rosa canina, Rosaceae), Linde (Tilia spec., Malvaceae), Holunder (Sambucus nigra, Adoxaceae), Echtem Labkraut (Galium verum, Rubiaceae) oder Mädesüß (Filipendula ulmaria, Rosaceae) lassen sich ähnlich verwenden.
BLÜTENSIRUP VON KIRSCHPFLAUMEN
ERGIBT KNAPP 400 ml
glutenfrei, vegan, laktosefrei
250 ml Wasser
250 g Zucker
ein 500 ml Gefäß locker gefüllt mit Kirschpflaumen-Blüten, frisch aufgeblüht
Wasser und Zucker aufkochen, bis der Zucker vollständig gelöst ist. Abkühlen lassen. Kirschpflaumen-Blüten damit übergießen und bei Raumtemperatur über Nacht ziehen lassen. Abseihen und in eine sterilisierte Flasche füllen. Hält sich im Kühlschrank ein paar Wochen und eignet sich prima, um allerlei Getränke und Speisen damit zu süßen oder zu aromatisieren.
Um die Haltbarkeit zu verlängern, gibt es mehrere Möglichkeiten: Den Sirup vor dem Abfüllen kurz aufkochen oder Zitronensäure (25 g auf 1 l) zugeben (beides verändert das Aroma; beim Erhitzen färbt sich der Sirup von kristallklar zu hellgelb, auch wenn man die noch nicht ganz abgekühlte Zuckerlösung auf die Blüten gießt); Sirup einfrieren; einen 2:1 Zuckersirup herstellen (500 g Zucker auf 250 ml Wasser, entsprechend mehr Blüten einsetzen); den Sirup verwenden, um Likör herzustellen. Dafür aromatisierte Zuckerlösung mit 200–300 g Zucker auf 1 l geschmacksneutralen Vodka/Korn geben und mehrere Wochen bei Raumtemperatur reifen lassen.
Im Umgang mit essbaren Wildpflanzen gilt: Sammle nur, was du hundertprozentig bestimmen kannst und nicht unter Naturschutz steht. Probier erst eine kleine Menge, wenn du eine Wildpflanze zum ersten Mal zu dir nimmst. Recherchiere potentielle Kontraindikationen, z.B. bei Medikamenteneinnahme, Schwangerschaft oder Allergien. Für Schäden kann keine Haftung übernommen werden.
Literatur
[1] Strauß, M.: Köstliches von Hecken und Sträuchern: bestimmen, sammeln und zubereiten. Walter Hädecke Verlag, Weil der Stadt 2011.
[2] Lüder, R.: Grundkurs Gehölzbestimmung. Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim 2012.Beiser, R.: Unsere essbaren Wildpflanzen. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2014.
[3] Rothmaler, W.: Exkursionsflora von Deutschland – Band 4 Gefäßpflanzen: Kritischer Band. Elsevier GmbH, München 2005.
[4] Fleischhauer, S. G., Guthmann, J., Spiegelberger, R.: Enzyklopädie essbare Wildpflanzen. AT Verlag, Aarau und München, 2016.
[5] Beiser, R.: Unsere essbaren Wildpflanzen. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2014.