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Vogelbeeren-Ketchup

Es hat etwas gedauert, bis ich mich mit den Früchten der Vogelbeere, auch Eberesche genannt, (Sorbus aucuparia, Rosaceae) angefreundet habe. Die orangeroten Apfelfrüchte schmecken sehr bitter und sind roh in größeren Mengen ungenießbar: Die darin enthaltene Parasorbinsäure führt zu Magenbeschwerden. Sie lässt sich durch Erhitzen zwar in gut verträgliche Sorbinsäure wandeln [1]. Der bittere Geschmack bleibt jedoch. Die meisten Autoren überdecken ihn einerseits mit einer ganzen Menge Zucker, indem sie z.B. Vogelbeeren-Sirup oder –Marmelade herstellen. Andererseits empfehlen sie, die Früchte vor dem Verarbeiten einzufrieren und so milder werden zu lassen. Weder das eine noch das andere hat mich überzeugt.

In dieses Vogelbeeren-Ketchup könnte ich mich jedoch reinsetzen. Der Trick ist meiner Meinung nach, die Früchte erst nach einem richtigen Frost zu pflücken (wobei man natürlich das Risiko eingeht, dass Vögel bis dahin alles aufgefressen haben) und sich einen Baum zu suchen, dessen Früchte von Natur aus milder schmecken. Dazu kann man einfach probehalber in eine Vogelbeere beißen – am besten in einem Garten oder einer Parkanlage. Dort ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass jemand eine milde Sorte angepflanzt hat. 1810 wurde in Mähren nämlich die sogenannte Essbare Eberesche (Sorbus aucuparia ‚Edulis‘) entdeckt, deren Früchte weder Parasorbinsäure enthalten noch bitter schmecken [1]. Inzwischen gibt es zahlreiche weitere Sorten. So eine Park-Eberesche, die schon jetzt im September kaum bitter schmeckt und außergewöhnlich große Früchte besitzt, habe ich dieses Jahr gefunden und daraus Ketchup gekocht. Wer keine milden Vogelbeeren findet, nimmt nur die halbe Menge an bitteren nach dem ersten Frost und ergänzt mit Tomaten/Äpfeln.

Vogelbeeren
Früchte der Vogelbeere (Sorbus aucuparia, Rosaceae)
Vogelbeeren

Vogelbeeren zu erkennen, ist im Moment leicht: Die orange bis roten, etwa einen Zentimeter großen Früchte wachsen dicht gedrängt in Schirmrispen und leuchten schon von weitem von 5–8 Meter hohen Sträuchern/Bäumen herab. Oft findet man sie an Waldrändern, Hecken und Gebüschen. Als Pionierpflanze kommt die Eberesche aber auch an unwirtlichen Standorten auf nährstoffarmen Böden zurecht, z.B. im Hochgebirge. Ihre unpaarig gefiederten Blätter besitzen 9–17 am Rand gesägte Fiederblättchen. Im Mai blüht der Baum mit zahlreichen cremeweißen Blüten. [2, 3]

Vogelbeere-Blatt
Gefiederte Blätter der Vogelbeere (Sorbus aucuparia, Rosaceae)
Vogelbeere-Knospen
Blütenknospen in Schirmrispen

Früher war die Vogelbeere ein hoch geschätzer Baum, der Orakel- und Gerichtsplätze säumte. Mindestens seit der Bronzezeit galt sie in Europa als zauberkräftig. Das Irische Landvolk hängte zu Walpurgis Ebereschenzweige über Stalltor, Haustür und Rauchfang, um sich vor Verhexung zu schützen. In Britannien fädelte man die Früchte auf. Die Ketten sollten vor Unglück bewahren. Germanen und Kelten stellten Butterquirle aus Ebereschenholz her – so ließ sich die Milch gut buttern und war vor bösem Milchzauber sicher. [3]

Mit dem Einzug des Christentums wurde der Kultbaum der Heiden, aus dessen Früchte man Mus, Most und Essig hergestellt hatte, zum Hexenbaum und galt fortan als giftig. Dieses Gerücht hält sich bis heute hartnäckig. Es ist in Vergessenheit geraten, dass die roten Apfelfrüchte aufgrund des hohen Vitamin C Gehalts früher ein geschätztes Stärkungsmittel gegen Skorbut und Erkältungskrankheiten waren [4]. Auch bei Rheuma und Gicht fanden sie volksheilkundliche Anwendung.

Neben Parasorbinsäure und Vitamin C enthalten sie Gerbstoffe, Pektin, Zitronen- und Apfelsäure, Sorbit sowie Karotinoide [4]. Säuren und Gerbstoffe verursachen einen bitteren Geschmack, obwohl die Früchte einen Zuckergehalt von 10% besitzen [1]. Statt Vogelbeeren einzukochen, wäre auch eine Möglichkeit, eine Handvoll zu trocknen und ab und an eine zu knabbern, um von den wertvollen Inhaltsstoffen zu profitieren. In kleinen Dosen setzen die Bitterstoffe spannende Akzente. Viel Spaß beim Experimentieren!

Vogelbeeren-Ketchup

VOGELBEEREN-KETCHUP

ERGIBT EIN 500g GLAS
glutenfrei, vegan, laktosefrei

1 Knoblauchzehe
1 Zwiebel
etwas Öl
100 g Rohrohrzucker
100 ml Apfelessig
1/2 Tl Koriander
1 Tl Senfsaat
1 Lorbeerblatt
1 Tl Paprikapulver, geräuchert
1 Prise Cayennepfeffer
Pfeffer und Salz
500 g milde Vogelbeeren (oder bittere Vogelbeeren nach dem ersten Frost geerntet und zur Hälte mit Äpfeln oder Tomaten ergänzen)

Knoblauch und Zwiebel schälen, fein würfeln und in etwas Öl anschwitzen. Zucker dazugeben und karamellisieren lassen. Mit Essig ablöschen. Koriander und Senfsaat im Mörser grob mahlen und mit den anderen Gewürzen und den Vogelbeeren zu den Zwiebeln geben. Das Ganze 20 Minuten köcheln lassen und anschließend durch eine Flotte Lotte oder ein feines Sieb passieren. Masse zurück in den Topf geben und bis zur gewünschten Konsistenz einkochen. Ketchup abschmecken und heiß in ein sterilisiertes Glas füllen. Hält sich nach dem Öffnen mehrere Monate im Kühlschrank.

Im Umgang mit essbaren Wildpflanzen gilt: Sammle nur, was du hundertprozentig bestimmen kannst und nicht unter Naturschutz steht. Probier erst eine kleine Menge, wenn du eine Wildpflanze zum ersten Mal zu dir nimmst. Recherchiere potentielle Kontraindikationen, z.B. bei Medikamenteneinnahme, Schwangerschaft oder Allergien. Für Schäden kann keine Haftung übernommen werden.

Literatur

[1] Strauß, M.: Köstliches von Hecken und Sträuchern: bestimmen, sammeln und zubereiten. Walter Hädecke Verlag, Weil der Stadt 2011.
[2] Lüder, R.: Grundkurs Gehölzbestimmung. Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim 2012.
[3] Storl, W. D.: Die Pflanzen der Kelten – Heilkunde, Pflanzenzauber, Baumkalender. AT Verlag, Aarau und München 2000.
[4] Fleischhauer, S. G., Guthmann, J., Spiegelberger, R.: Enzyklopädie essbare Wildpflanzen. AT Verlag, Aarau und München, 2016.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Jolanta

    Sehr schöner Beitrag. Leider habe ich das Rezept erst jetzt gefunden, nachdem ich meinen Vogelbeeren Ketchup fertig abgefüllt habe. Ich habe ihn mit Äpfel, Orange, Banane und scharfen Chili sowie Knoblauch und verschiedenen Gewürzen verfeinert. Ist ziemlich bitter geworden, das schmeckt uns aber sehr, besonders wenn man ihn auf Käse oder andere Speisen tröpfelt….

    1. Julia Hecht

      Deine Version hört sich aber auch sehr gut an! Viele Grüße, Julia

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