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Pflanzenfamilien: Rosaceae (Rosengewächse)

Frühling und Frühsommer sind die beste Zeit, Blüten der Rosengewächse (Rosaceae) zu bewundern! Die Pracht beginnt, sobald unsere heimischen und mediterranen Obstgehölze ihre Blüten öffnen: Apfel (Malus spec., Rosaceae), Birne (Pyrus spec., Rosaceae), Pflaume, Kirsche, Aprikose, Pfirsich und Mandel (letztere sind alle Arten der Gattung Prunus). Es geht weiter mit Schlehe (Prunus spinosa, Rosaceae), Weißdorn (Crataegus spec., Rosaceae), Erdbeeren (Fragaria spec., Rosaceae), Brombeeren (Rubus spec., Rosaceeae) und im Moment der „Königin der Blumen“, der Rose (Rosa spec., Rosaceae). Sie ist wegen ihres Dufts und ihrer Schönheit wahrscheinlich die beliebteste Zierpflanze in Gärten und gab der Familie, um die es in diesem Beitrag geht, ihren Namen. Warum ich persönlich finde, dass es lohnt, sich mit Pflanzenfamilien zu beschäftigen, kannst du in diesem Artikel nachlesen.

Suess-Kirsche
Vogelkirsche (Prunus avium, Rosaceae)
Essig-Rose
Essig-Rose (Rosa gallica, Rosaceae)

Unter den Rosengewächsen finden sich Kräuter, Stauden und Gehölze. Die Familie ist global verbreitet, kommt aber überwiegend in der gemäßigten Zone der nördlichen Erdhalbkugel vor – in nahezu allen Lebensräumen mit Ausnahme des Wassers [1, 2]. Weltweit gibt es 100 Gattungen mit 3000 Arten [3]. In Deutschland sind es etwa 25 Gattungen und 120 Arten, von denen einige sogenannte Sammelarten sind, z.B. die Brombeere mit 300–400 Unterarten [1].

Wir nutzen Vertreter der Rosaceae nicht nur als Nahrungs- und Zierpflanzen, sondern auch als Heilpflanzen. Sie enthalten keine der sonst im Pflanzenreich weit verbreiteten Alkaloide, dafür aber Gerbstoffe. Diese Inhaltsstoffe werden wegen ihrer adstringierenden (zusammenziehenden) Wirkung in der Heilkunde eingesetzt – die Blutwurz (Potentilla erecta, Rosaceae) ist besonders gerbstoffhaltig.

Rosengewächse besitzen darüber hinaus typischerweise cyanogene Glykoside wie Amygdalin. Sie setzen Blausäure frei, sobald Pflanzenzellen verletzt werden, und sind verantwortlich für den typischen Geschmack und Geruch von Bittermandeln. Cyanogene Glykoside sind in den Samen und im Fruchtfleisch vieler bekannter Gemüse und Früchte enthalten, wo sie wahrscheinlich als Fraßschutz dienen. In kleinen Mengen ist Blausäure kein Problem für uns und sie entweicht beim Erhitzen zerkleinerter Pflanzenteile aus einem offenen Topf. In großen Mengen verzehrt können jedoch sogar Apfelkerne tödlich giftig sein. Weitere Inhaltsstoffe der Rosaceae sind Flavonoide und Sorbitol, ein Zuckeralkohol, der als Süßstoff bei Diabetes geeignet ist. [4]

Du erkennst ein Rosengewächs an folgenden Merkmalen:

  • wechselständige Laubblätter, an deren Blattgrund sich Nebenblätter befinden
  • gelbe, weiße oder rote, jedoch nie blaue, radiärsymmetrische Blüten (lassen sich in mindestens zwei Richtungen in identische Hälften spiegeln)
  • fünf freie Kelchblätter, darum befindet sich oft ein Außenkelch, der in der Regel kleiner ist
  • fünf freie Kronblätter
  • zahlreiche Staubblätter, oft 20
  • sehr variable Fruchtblätter (siehe unten) [1, 2, 3]
Nebenblatt einer Rose (Rosa spec., Rosaceae)
Nelkenwurz
Echte Nelkenwurz – Kelch und Außenkelch (Geum urbanum, Rosaceae)
Nelkenwurz
Geöffnete Blüte
Zur Fruchtreife sind freie Nüsschen vorhanden – die Griffel enden in klettenden Haken

Wie immer gibt es ein paar Ausnahmen zu den obengenannten Regeln. In unseren Breiten finden sich zwei Gattungen, die keine Nebenblätter besitzen: Spiersträucher (Spiraea spec.) und Geißbart (Aruncus spec.). Die Blutwurz (Potentilla erecta, Rosaceae) besitzt nur vier Blütenkronblätter statt der üblichen fünf. Auch beim Frauenmantel (Alchemilla spec., Rosaceae) und beim Wiesenknopf (Sanguisorba spec., Rosaceae) muss man zweimal hinschauen, um sie als Rosengewächse zu erkennen. Auf dem Foto unten siehst du, dass die weiblichen Blütenanteile des Kleinen Wiesenknopfs (rote, stark zerteilte Griffel) vor den zahlreichen Staubblättern reifen, um Selbstbestäubung zu verhindern. Der Kleine Wiesenknopf besitzt nur vier Kelchblätter und keine Blütenkronblätter.

Kleiner-Wiesenknopf
Kleiner Wiesenknopf – Griffel (Sanguisorba minor, Rosaceae)
Kleiner-Wiesenknopf
Kleiner Wiesenknopf – Staubblätter

Die Früchte der Rosengewächse sind sehr unterschiedlich – traditionell hat man die Familie anhand der Lage und Zahl der Fruchtblätter in vier Unterfamilien aufgeteilt:

  • Rosengewächse im engeren Sinn (Rosoideae): Früchte entstehen aus mehreren oberständigen Fruchtblättern. Bei der Nelkenwurz (Geum spec.) handelt es sich dabei um Nüsschen. Erdbeere und Rose besitzen Sammelnussfrüchte. Bei der Erdbeere (Fragaria spec.) sitzen sie auf einer fleischig gewordenen Blütenachse (siehe Foto unten), bei der Rose (Rosa spec.) wachsen sie in einem krugförmigen, fleischigen Blütenboden. Himbeere und Brombeere (Rubus spec.) haben Sammelsteinfrüchte auf einer aufgewölbten Blütenachse. Auch krautige Pflanzen wie Mädesüß (Filipendula spec.), Odermennig (Agrimonia spec.), Wiesenknopf (Sanguisorba spec.), Fingerkraut (Potentilla spec.) und Frauenmantel (Alchemilla spec.) gehörten in diese Unterfamilie.
Erdbeere-Bluete
Wald-Erdbeere – Blüte im Querschnitt (Fragaria vesca, Rosaceae)
Kultur-Erdbeere – Frucht im Querschnitt
Hagebutte
Hagebutten (Rosa spec., Rosaceae)
Brombeere
Brombeeren (Rubus spec., Rosaceae)
  • Steinobstgewächse (Prunoideae): Aus einem einzigen oberständigen Fruchtblatt entsteht eine einsamige Steinfrucht. Nur die Gattung Prunus gehörte in diese Unterfamilie. Bei den meisten essen wir das Fruchtfleisch und entsorgen den Steinkern, z.B. bei Kirsche, Pflaume, Pfirsich und Aprikose. Bei Mandeln knacken wir ihn, essen den Samen und entsorgen das Fruchtfleisch.
Zwetschge
Zwetschgen (Prunus domestica, Rosaceae)
Traubenkirsche
Gewöhnliche Traubenkirsche (Prunus padus, Rosaceae)
  • Kernobstgewächse (Maloideae): Aus fünf unterständigen Fruchtblättern entstehen Apfel- oder Kernfrüchte. Das Fruchtfleisch bildet sich aus dem Blütenboden, der den Fruchtknoten umgibt. Entweder werden die Fruchtblätter zu Steinkernen wie bei Weißdorn (Crataegus spec.) sowie Mispel (Mespilus spec.) oder sie werden pergamentartig wie bei Apfel (Malus spec.), Birne (Pyrus spec.) und Quitte (Cydonia oblonga).
Apfel
Kultur-Äpfel (Malus domestica, Rosaceae)
Quitte
Quitte (Cydonia oblonga, Rosaceae)
  • Spierstrauchgewächse (Spiraeoideae): Aus freien oberständigen Fruchtblättern entstehen trockene Balgfrüchte, die sich an der Bauchnaht öffnen. Vertreter waren Spiersträucher (Spiraea spec.) und Geißbart (Aruncus spec.). [1, 3, 5]

Aufgrund molekulargenetischer Untersuchungen werden heute nur noch drei Unterfamilien unterschieden:

  • Steinobstgewächse, Kernobstgewächse und Spierstrauchgewächse wurden zu den Amygdaloideae zusammengefasst.
  • Rosoideae: wie oben
  • Dryadoideae: Ein bekannter Vertreter ist die Silberwurz (Dryas octopetala). [3]
Spiraea
Spierstrauch (Spiraea spec., Rosaceae)
Spiraea

Die Blüten der Rosengewächse lassen sich auf den ersten Blick leicht mit denen der Hahnenfußgewächsen (Ranunculaceae) verwechseln. Letztere besitzen jedoch keine Nebenblätter. Außerdem sind Staubblätter und Fruchtblätter der Hahnenfußgewächse in Schrauben angeordnet und nicht in Kreisen wie bei Rosengewächsen. Da sich unter den Hahnenfußgewächsen keine Gehöze befinden, kann es sich bei Bäumen und Sträuchern nicht um Ranunculaceae handeln. Außerdem haben sie nie einen Außenkelch. Einen solchen gibt es außer bei Rosengewächsen bei Malvengewächsen (Malvaceae). Ihre Staubblätter sind aber zu einer Röhre verwachsen, bei den Rosengewächsen sind sie immer frei.

Die Blüten der Nelkengewächse (Caryophyllaceae) und Zistrosengewächse (Cistaceae) sehen denen der Rosengewächse ebenfalls sehr ähnlich. Die beiden erstgenannten Pflanzenfamilien haben aber in der Regel gegenständige Blätter. Die Blütenblätter der Zistrosengewächse sehen außerdem typischerweise zerknittert aus.

Als weiteres Merkmal der Rosengewächse habe ich oben Nebenblätter genannt. Sie kommen auch bei den Schmetterlingsblütlern (Fabaceae) vor. Diese Familie hat aber einen ganz anderen Blütenaufbau. [1, 5]

Sonnenroeschen
Garten-Sonnenröschen (Helianthemum spec., Cistaceae)
Scharfer Hahnenfuss
Scharfer Hahnenfuß (Ranunculus acris, Ranunculaceae)

Für Pflanzensammler sind Rosengewächse eine ergiebige, sichere Familie: Außer den genannten essbaren und heilkräftigen Arten findest du in diesem Blog-Beitrag weitere Arten, deren Blüten und Blätter sich verwenden lassen. Es gibt in dieser Pflanzenfamilie nur eine Handvoll, von denen man wegen des hohen Gehalts an Blausäureglykosiden die Finger lassen sollte, z.B. Wald-Geißbart (Aruncus dioicus, Rosaceae) und Zwergmispeln (Cotoneaster spec., Rosaceae) [1, 5, 6]. Aber natürlich solltest du dich im Einzelfall genau informieren, welche Teile einer Pflanzenart sich in welchen Mengen für den Verzehr eignen.

Im Umgang mit essbaren Wildpflanzen gilt: Sammle nur, was du hundertprozentig bestimmen kannst und nicht unter Naturschutz steht. Probier erst eine kleine Menge, wenn du eine Wildpflanze zum ersten Mal zu dir nimmst. Recherchiere potentielle Kontraindikationen, z.B. bei Medikamenteneinnahme, Schwangerschaft oder Allergien. Für Schäden kann keine Haftung übernommen werden.

Literatur

[1] Lüder, R.: Grundkurs Pflanzenbestimmung. Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim 2013.
[2] Hess, D.: Systematische Botanik. Eugen Ulmer, Stuttgart 2005.
[3] Elpel, T. J.: Botany in a Day APG – The Patterns Method of Plant Identification. HOPS Press, Pony 2018.
[4] Fleischhauer, S. G., Guthmann, J., Spiegelberger, R.: Enzyklopädie essbare Wildpflanzen. AT Verlag, Aarau und München, 2016.
[5] Lüder, R.: Grundkurs Gehölzbestimmung. Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim 2012.
[6] Rensten, J.: The Edible City – A Year Of Wild Food. Boxtree, London 2016.