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Wo essbare Wildpflanzen sammeln?

Die kleine Serie rund um das Thema Sammeln geht weiter! Warum es sich lohnt, essbare Wildpflanzen zu ernten und wie man dabei vorgeht, kannst du in den ersten beiden Blog-Beiträgen nachlesen. Heute schauen wir uns an, welche Orte sich dafür eignen.

Würdest du den prächtigen Löwenzahn im Bild oben für den Verzehr pflücken? Ich ehrlich gesagt nicht: Rechts hinter ihm versteckt sich ein Zigarettenstummel, es sieht so aus, als würden Hunde diese Ecke ganz gern zum Markieren verwenden … Wenn man einen Moment darüber nachdenkt, leuchtet es ein, dass man zum Sammeln essbarer Wildpflanzen möglichst naturbelassene Standorte aufsuchen sollte, die weder mit Schwermetallen o.ä. belastet sind noch an beliebten Strecken für Spaziergänge mit dem Hund liegen. Dazu gehören beispielsweise:

  • ungedüngte Streuobstwiesen,
  • Waldränder,
  • ruhige Waldwege,
  • Böschungen und
  • verwildertes Ödland. [1, 2]
Boeschung
Böschungen und ruhige Waldwege eignen sich gut zum Sammeln.

Wer einen Garten besitzt, kann „verwilderte“ Bereiche entstehen lassen, in denen nur 3–5 mal im Jahr mit der Sense oder Sichel gemäht wird. Das versetzt die Pflanzen sozusagen zurück in den Frühling und es gibt wieder frisches Blattgrün zu ernten [2].

Wiese
Bunte Wildblumenwiese statt Rasen im Garten – der perfekte Sammelort.

Auch wenn es verlockend ist und gerade hier Wildkräuter gut gedeihen, solltest du an folgenden Orten nicht ernten:

  • in Naturschutzgebieten und Nationalparks,
  • an viel befahrenen Straßen,
  • direkt am Wegesrand und anderen Orten, an denen mit Ausscheidungen von Hunden zu rechnen ist, um eine Infektion mit dem Hundespulwurm zu verhindern.
Rainkohl
Rainkohl, Giersch und Co. am Wegrand ernten? Eher nicht ...
Giersch-an-Zaun

Weitere Stellen, an denen ich keine Pflanzen für den Verzehr pflücken würde, sind:

  • konventionell bewirtschaftete Felder wegen der Spritzmittel,
  • gedüngte Wiesen (Gülle),
  • Tierweiden und angrenzende Bäche/Wasserflächen, um eine Infektion mit Leberegeln zu vermeiden (lassen sich allerdings durch Erhitzen abtöten),
  • Bahndämme wegen möglicher Herbizide,
  • Industriegebiete und
  • Friedhöfe. [1–3]
Auf Tierweiden und an konventionell bewirtschafteten Feldern sollte man essbare Wildpflanzen nicht pflücken.
Konventionelle-Felder

Wenn man in der Stadt wohnt und weder Garten noch Balkon besitzt, auf dem sich ein paar Wildkräuter anbauen lassen, ist es gar nicht so einfach, geeignete Standorte zu finden. Die Blätter von Bäumen sind im Frühjar dann das perfekte Sammelgut.

Darüber hinaus gibt es erste Hinweise darauf, dass sich wildwachsende Pflanzen aus Industriegebieten und Gegenden mit hohem Verkehrsaufkommen entgegen der landläufigen Meinung doch für den Verzehr eignen: Eine Studie der UC Berkeley aus dem Jahr 2019 untersuchte Pflanzen an drei verschiedenen Standorten der East San Francisco Bay Area, sogenannter „food deserts“, auf Schadstoffe [4]. Obwohl der Boden erhöhte Konzentrationen an Blei und Kadmium enthielt, konnten acht untersuchte „Unkräuter“ gefahrlos gegessen werden, nachdem man sie mit Leitungswasser gewaschen hatte. Es handelte sich dabei um:

  • Wilde Malve (Malva sylvestris, Malvaceae),
  • Natternkopf-Bitterkraut (Helminthotheca echioides, Asteraceae),
  • Ferkelkraut (Hypochaeris radicata, Asteraceae),
  • Spitzwegerich (Plantago lanceolata, Plantaginaceae),
  • Wilden Salat (Lactuca ludoviciana, Asteraceae),
  • Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus, Tropaeolaceae),
  • Löwenzahn (Taraxacum officinale, Asteraceae) sowie
  • Fenchel (Foeniculum vulgare, Apiaceae).

Darüber hinaus untersuchten die Wissenschaftler weiteres Pflanzenmaterial der drei Standorte, das vorher nur mit Leitungswasser gewaschen wurde, toxikologisch auf 330 Pestizide und Herbizide, speziell Glyphosat, sowie polychlorierte Biphenyle. Die schädlichen Substanzen ließen sich jedoch nicht nachweisen. Zu den Arten gehörten:

  • Vogelmiere (Stellaria media, Caryophyllaceae),
  • Löwenzahn (Taraxacum officinale, Asteraceae),
  • Krauser Ampfer (Rumex crispus, Polygonaceae),
  • Wilde Malve (Malva sylvestris, Malvaceae),
  • Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus, Tropaeolaceae) und
  • Nickender Sauerklee (Oxalis pes caprae, Oxalidaceae).

Die Ergebnisse lassen sich natürlich nicht einfach auf andere Standorte und Arten übertragen, sind aber vielversprechend! Die Autoren schätzen, dass je nach Jahreszeit mehrere tausend Portionen Blattgemüse im urbanen Ökosystem zur Verfügung stehen. Bislang werden sie nicht genutzt, enthalten jedoch eine höhere Konzentration an Nährstoffen als Kulturformen und können nachweislich dazu beitragen, die Versorgung mit Nahrungsmitteln zu sichern.

Letztlich muss jeder für sich und situationsabhängig abwägen, aber wenn mir solche Löwenzahn-Köpfchen aus dem Asphalt entgegen leuchten, dann greife ich in Zukunft vielleicht doch ab und an zu!

Loewenzahn-an-Straße
Löwenzahn (Taraxacum officinale, Asteraceae)
Loewenzahn-Bluete

Im Umgang mit essbaren Wildpflanzen gilt: Sammle nur, was du hundertprozentig bestimmen kannst und nicht unter Naturschutz steht. Probier erst eine kleine Menge, wenn du eine Wildpflanze zum ersten Mal zu dir nimmst. Recherchiere potentielle Kontraindikationen, z.B. bei Medikamenteneinnahme, Schwangerschaft oder Allergien. Für Schäden kann keine Haftung übernommen werden.

Literatur

[1] Beiser, R.: Unsere essbaren Wildpflanzen. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2014.
[2] Strauß, M.: Die 12 wichtigsten essbaren Wildpflanzen: bestimmen, sammeln, zubereiten. Walter Hädecke Verlag, Weil der Stadt 2010.
[3] Rensten, J.: The Edible City – A Year Of Wild Food. Boxtree, London 2016.
[4] Stark, P. B., Miller, D., Carlson T. J., de Vasquez, K.R.: Open-source food: Nutrition, toxicology, and availability of wild edible greens in the East Bay. (2019) PLOS ONE 14(1): e0202450. Unter: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0202450 (abgerufen am 19.05.2020).