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So sammelst du essbare Wildpflanzen

Die schlechte Nachricht zuerst: Grundsätzlich ist es laut § 39 Absatz 1 Satz 2 BNatSchG verboten, „wild lebende Pflanzen ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen oder zu nutzen oder ihre Bestände niederzuschlagen oder auf sonstige Weise zu verwüsten.“ Die gute Nachricht: Abweichend davon darf jeder „wild lebende Blumen, Gräser, Farne, Moose, Flechten, Früchte, Pilze, Tee- und Heilkräuter sowie Zweige wild lebender Pflanzen aus der Natur an Stellen, die keinem Betretungsverbot unterliegen, in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf pfleglich entnehmen und sich aneignen.“ (§ 39 Absatz 3 BNatSchG)

Unabhängig von dieser Erlaubnis darf man in Naturschutzgebieten und Nationalparks natürlich keinerlei Pflanzen entnehmen. Darüber hinaus gilt ein Sammelverbot für besonders geschützte Arten – egal wo sie wachsen (§ 44 Absatz 1 Satz 4 BNatSchG). Dazu gehören z.B. Arnika, alle Enziane, Sumpf-Engelwurz, Ausdauernder Lein, Küchenschelle, Schneeglöckchen, alle Nelken, Narzissen, Krokusse und Blaustern.

Das Bundesamt für Naturschutz bietet zwei Online-Datenbanken, mit deren Hilfe sich der Schutzstatus wildlebender Pflanzenarten abrufen lässt: www.floraweb.de und www.wisia.de. Eine Unterschutzstellung kann auch nur gebietsweise gelten. Auskunft geben die Naturschutzbehörden an den Landratsämtern. Aber wenn du nicht gerade darauf aus bist, deinen eigenen Enzianschnaps zu brennen, solltest du beim Pflücken von Vogelmiere, Giersch und Co. nicht in Konflikt mit dem Gesetz kommen. Zumindest nicht, wenn dein Sammelgut sich in Grenzen hält. Man spricht von der sogenannten „Handstraußregelung“: So viel, wie man in einer Hand zwischen Daumen und Zeigefinger fassen kann, gilt als persönlicher Bedarf und ist erlaubt.

Nachdem wir nun die Gesetzeslage geklärt haben, stellt sich die Frage, worauf sind Pflanzensammler eigentlich aus? Je nach Pflanzenart sind junge Triebe und Blätter, Knospen, Blüten, Pollen, Samen, Wildfrüchte oder Wurzeln für die Ernährung (und natürlich die Naturheilkunde) interessant. In Finnland wurde traditionell sogar das getrocknete Phloem der Waldkiefer (Pinus sylvestris, Pinaceae) verwendet, um Getreidemehl zu strecken [1].

Sammelgut
Loewenzahnwurzel

Oberstes Gebot ist: Nur wenn du Verwechslungsmöglichkeiten ausschließen kannst, dir also bei der Bestimmung hundertprozentig sicher bist, verwendest du ein Wildkraut. Am besten lässt du dir auf einer Kräuterwanderung essbare Wildpflanzen zeigen oder verwendest ein Bestimmungsbuch. Alle Sinne beim Identifizieren einzusetzen, ist zwar hilfreich: Aromatischer Geruch oder eine raue Blattoberfläche können wichtige Hinweise liefern. An einem Kraut probehalber zu knabbern, ist jedoch keine Bestimmungstechnik!

Das hat mehrere Gründe: Holunderbeerensirup ist zwar als Getränk bekannt, es wäre aber falsch anzunehmen, dass die Beeren auch roh genießbar sind. Im Gegenteil: Vor dem Kochen können sie Übelkeit und Durchfall hervorrufen [2–4]. Nur weil Blüten und Beeren dieser Pflanze (Sambucus nigra, Adoxaceae) genießbar sind, gilt nicht, dass sich bedenkenlos auch alle weiteren Teile verzehren lassen! Andere essbare Wildkräuter wiederum können Pflanzensäfte enthalten, die unter Sonneneinstrahlung starke Hautrötungen hervorrufen, z.B. Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium, Apiaceae), wie du in diesem Artikel nachlesen kannst. Bevor du deine Beute zu dir nimmst, solltest du sie also sehr gut kennen!

Genau das ist manchmal gar nicht so einfach: Viele Wildpflanzen sind vor allem im Jugendstadium zart und schmackhaft. Ohne Blüte ist das Bestimmen aber oftmals schwierig. Am besten du beobachtest eine neue Pflanze über die gesamte Vegetationsperiode und merkst dir den Standort. Tatsächlich können Pflanzen auch je nach Wuchsort ganz unterschiedlich aussehen.

Wegwarte-Bluete
Wegwarte (Cichorium intybus, Asteraceae) - Blüte im Spätsommer
Wegwarte
Erkennst du Wegwarte auch im Winter?

Selbstverständlich pflückt man nur den Teil einer Pflanze, den man verwenden möchte. Das schont die zurückbleibende Pflanze und erleichtert die Verarbeitung in der Küche. Dein Sammelgut sollte nicht regennass sein, sondern möglichst trocken: Dann zersetzt es sich nicht so schnell. Außerdem sollten die Wildkräuter, die du verwenden möchtest, sauber und gesund sein, weder Verschmutzungen noch Fraßspuren aufweisen. Abgestorbenes Pflanzenmaterial sowie fremdes Sammelgut entfernst du gleich vor Ort, so musst du später in der Küche nicht mehr aussortieren. Trotzdem solltest du noch einmal überprüfen, ob es das richtige Wildkraut ist.

Damit du auch in der kommenden Saison ernten kannst und für andere Lebewesen etwas übrig bleibt, solltest du nachhaltig vorgehen: Nimm nichts, wenn nur wenige Exemplare einer Art vor dir stehen. Entferne nie alle Blätter oder Blüten einer Pflanze, sonst kann sie nicht weiterwachsen und keine Früchte bilden. Es empfiehlt sich maximal 1/3 einer Pflanze, 1/5 der Fortpflanzungsorgane zu sammeln. Zum nachhaltigen Ernten gehört auch, beispielsweise Bärlauchplätze nicht platt zu trampeln, sondern einen kleinen Bereich zu betreten und sorgfältig in den eigenen Fußspuren zurück zu gehen. Aus Respekt vor der Natur: Sammle nur so viel, wie du wirklich verarbeitest.

Jetzt weißt du, was und wie viel du sammeln kannst, aber wie geht’s konkret? Ins Gepäck eines Pflanzensammlers gehört natürlich ein Sammelgefäß. Sammelkorb, Stoffbeutel oder Papiertüten, in die die Wildkräuter locker geschichtet werden, eignen sich auf jeden Fall. Plastiktüten, Dosen oder Gläser sind umstritten, denn in einem geschlossenen Gefäß können die Pflanzen ins Schwitzen kommen [5, 6].

Sammelkorb
Sammelbeutel

Ich bin trotzdem ein Fan des 1-Liter-Weckglases: Gerade bei längeren Transporten schützt es vor Verdunstung und empfindliches Sammelgut vor Druckstellen/Quetschung. An solchen Verletzungsstellen treten Abbauprozesse ein. Spitzwegerich beispielsweise färbt sich dort beim Trocknen schwarz [7]. Plastiktüten, in die man etwas Luft bläst, schützen ebenfalls zarte Pflanzen. Man sollte solche Sammelgefäße jedoch nicht in die pralle Sonne legen. Alternativ eignen sich auch feuchte Tücher als Verdunstungsschutz, in die du das Sammelgut einschlägst.

Kleine Schraubgläser sind außerdem praktisch für Samen, Knospen und Pollen. Zum Thema Samen sammeln: Oft bietet es sich an, einen Fruchtstand zu pflücken und Zuhause die Samen beim Trocknen herausfallen zu lassen [8]. Auf jeden Fall sollte man sie ausreichend trocknen lassen, sonst schimmeln sie (gilt auch für Pollen z.B. von Nadelbäumen).

Zum weiteren Handwerkszeug eines Pflanzensammlers zählen Wurzelstecher/Spaten für Wurzeln/Zwiebeln, Schnur zum Stäußebinden, ein Taschenmesser und Handschuhe für stachelige Pflanzen. Mit einer Schere lassen sich Brennnesseltriebe prima abtrennen und direkt ins Sammelgefäß befördern. In dichten Beständen wachsende Pflanzen kannst du mit der einen Hand bündeln und mit der anderen abschneiden. Das geht schneller als einzelne Blätter zu zupfen. Sehr bewährt hat es sich, nach Arten getrennt zu sammeln und alle Pflanzen in der gleichen Richtung in das Sammelgefäß zu legen. Das erleichtert die Verarbeitung: Wenn alle Stängel und alle Triebspitzen nebeneinander liegen, ist das Kleinschneiden später leichter.

Warum und wie man essbare Wildpflanzen erntet, weißt du nun – die Themen wann und wo du pflückst, außerdem wie du verarbeitest, folgen in weiteren Beiträgen dieser kleinen Serie rund ums Sammeln.

Zu guter Letzt möchte ich dir die Worte von Robin Wall Kimmerer, einer US-amerikanischen Botanikerin, mit auf den Weg ins Grüne geben. Sie fasst zusammen, welchen Leitlinien ihr Volksstamm beim Sammeln folgt. Ihr Stamm – das ist die Citizen Potawatomi Nation, eine Algonquian-sprechende Bevölkerungsgruppe, die ursprünglich im Gebiet der Großen Seen in Nordamerika Zuhause war.

The Honorable Harvest

Know the ways of the ones who take care of you, so that you may take care of them.
Introduce yourself. Be accountable as the one who comes asking for life.
Ask permission before taking. Abide by the answer.
Never take the first. Never take the last.
Take only what you need.
Take only that which is given.
Never take more than half. Leave some for others.
Harvest in a way that minimizes harm.
Use it respectfully. Never waste what you have taken.
Share.
Give thanks for what you have been given.
Give a gift, in reciprocity for what you have taken.
Sustain the ones who sustain you and the earth will last forever.

Kimmerer, R. W.: Braiding Sweetgras – Indigenous Wisdom, Scientific Knowledge, and the Teachings of Plants, S. 183. Milkweed Editions, Minneapolis 2013.

Im Umgang mit essbaren Wildpflanzen gilt: Sammle nur, was du hundertprozentig bestimmen kannst und nicht unter Naturschutz steht. Probier erst eine kleine Menge, wenn du eine Wildpflanze zum ersten Mal zu dir nimmst. Recherchiere potentielle Kontraindikationen, z.B. bei Medikamenteneinnahme, Schwangerschaft oder Allergien. Für Schäden kann keine Haftung übernommen werden.

Literatur

[1] Nilsson, M.: The Nordic Cook Book. Phaidon Press Limited, London 2017.
[2] Fleischhauer, S. G., Guthmann, J., Spiegelberger, R.: Essbare Wildpflanzen. AT Verlag, Aarau und München, 2010.
[3] Fleischhauer, S. G., Guthmann, J., Spiegelberger, R.: Enzyklopädie essbare Wildpflanzen. AT Verlag, Aarau und München, 2016.
[4] Rensten, J.: The Edible City – A Year Of Wild Food. Boxtree, London 2016.
[5] Strauß, M.: Die 12 wichtigsten essbaren Wildpflanzen: bestimmen, sammeln, zubereiten. Walter Hädecke Verlag, Weil der Stadt 2010.
[6] Hansch, S., Schwarzer, E.: Der Giersch muss weg! 28 Unkräuter bekämpfen oder einfach aufessen. Eugen Ulmer, Stuttgart 2019.
[7] Beiser, R.: Tee aus Kräutern und Früchten. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2015.
[8] Höller, A., Grappendorf, D.: Essbare Wildsamen: finden, sammeln, vielseitig genießen. Eugen Ulmer, Stuttgart 2019.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

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