Ich muss gestehen: Den Lupinen-Hummus an unserem ersten Abend in Ollantaytambo, Peru, habe ich gar nicht probiert! Ich lag mit Höhenkrankheit, Übelkeit und Kopfschmerzen im Bett. Vor ein paar Wochen – fast ein Jahr später – finde ich ein Glas Süßlupinen neu im Regal meines Bioladens. Klar, dass ich es sofort mitgenommen habe, um damit Hummus zuzubereiten, oder?
Süßlupinen, die es bei uns im Handel zu kaufen gibt, stammen ursprünglich aus dem Mittelmeerraum. Angebaut werden vor allem die Weiße Lupine (Lupinus albus, Fabaceae), die Blaue oder Schmalblättrige Lupine (Lupinus angustifolius) und die Gelbe Lupine (Lupinus luteus). Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden Zuchtformen, die kaum noch giftige Bitterstoffe enthalten, sodass die Samen ohne vorheriges Wässern genießbar sind [1]. Unsere Gärten zieren meist Sorten der mehrjährigen Vielblättrigen Lupine (Lupinus polyphyllus) – bitte nicht probieren, sie sind giftig!
Süßlupinen ergeben einen wunderbar cremigen Hummus, aber sie sind sehr mild im Geschmack – perfekt für einen aromatischen Gegenspieler wie Giersch (Aegopodium podagraria, Apiaceae). Die jungen Blätter schmecken ein bisschen wie Petersilie, Karotte oder Sellerie, die alle zur selben Familie gehören. Im Moment treiben die Blättchen gerade glänzend, weich und noch zusammengefaltet aus. So sind sie am besten! Ich nutze sie, um damit Olivenöl zu aromatisieren, das den Lupinen-Hummus krönt.
Giersch gehört zu den weiß blühenden Doldenblütlern, unter denen es einige giftige Arten gibt. Aber an dem typischen Geruch und seinen doppelt dreizähligen Blättern lässt er sich ziemlich sicher erkennen. Doppelt dreizählig – was bedeutet das? Auf dem Foto oben links siehst du ein einzelnes Blatt vom Giersch. Es ist bis auf den Mittelnerv des Blattes so tief eingeschnitten, dass es scheint als wären es mehrere Blätter. Ein solches aus einzelnen Abschnitten zusammengesetztes Blatt nennt man gefiedert, wobei die einzelnen Abschnitte als Fiederblättchen bezeichnet werden. Ein Giersch-Blatt hat unten zwei Fiedern 1. Ordnung, die sich paarweise am zentralen „Stiel“, dem Mittelnerv, gegenüber sitzen, und eine Endfieder, was du auf dem Foto oben rechts erkennst. Die einzelnen Fiedern sind jeweils nochmal in drei Fiedern 2. Ordnung unterteilt. Das bedeutet doppelt dreizählig. [2]
Die beiden seitlichen Fiedern 1. Ordnung können sehr variabel sein: Manchmal ist die oberste Fieder 2. Ordnung nicht ganz vom Rest abgetrennt. Das sieht aus wie ein Geißfuß – so wird Giersch auch manchmal genannt und das ist auch die Bedeutung des Gattungsnamens Aegopodium. Apropos Namen: Giersch ist eine alte Heilpflanze gegen rheumatische Beschwerden und Gicht, entsprechend erinnert sein Artname an das Wort Podagra – eine Bezeichnung für Fußgicht [2].
Weitere Erkennungsmerkmale von Giersch sind folgende: Die Blattränder sind immer deutlich gezähnt, der Blattstiel ist im Querschnitt dreikantig [2, 3]. Verwechslungsmöglichkeit besteht mit Meisterwurz (Peucedanum ostruthium, Apiaceae), dessen Blätter ebenfalls 3-teilig sind. Die einzelnen Fiedern sind jedoch nur dreimal tief eingeschnitten, nicht ganz abgetrennt wie beim Giersch. Meisterwurz statt Giersch zu sammeln, wäre auch nicht schlimm: Er ist ebenfalls essbar.
Giersch blüht ab Juni. Sein Blütenstängel ist kahl und rund. Die weißen Dolden besitzen 15-25 Strahlen und weisen weder Hüllchen noch Hüllblätter auf [2, 4]. Falls dir die letzten beiden Begriffe unklar sind, kannst du in meinem Beitrag über Wiesen-Bärenklau Shortbread alles über die Blüten der Apiaceae erfahren. Mit seinen langen Wurzelausläufern ist Giersch häufig bestandsbildend – sehr zum Verdruss vieler Gärtner. Er fühlt sich außerdem an Waldrändern und unter Sträuchern sowie Hecken wohl, am liebsten mit feuchtem nährstoffreichen Boden im Schatten. Mit sonnigen Standorten kommt er aber auch zurecht. [2, 3, 5]
All denen, die Giersch als unausrottbares Unkraut betrachten, kann ich wirklich nur ans Herz legen, ihn aufzuessen, denn mit der Brennnessel zählt er zu den nahrhaftesten Pflanzen überhaupt. Er enthält besonders viel Vitamin C, Provitamin A und Eiweiß [3, 6, 7]. Junge Blätter sind super im Salat oder Pesto. Später schmecken sie gegart gut und eignen sich für Suppe, Risotto, spinatartige Zubereitungen und Aufläufe [7]. Dafür eignen sich ebenfalls knospige Blütenstände. Blätter und junge Triebe lassen sich außerdem getrocknet als Würzpulver verwenden oder wie in Russland als milchsauer eingelegtes Gemüse ähnlich unserem Sauerkraut [3]. Die Blüten sind eine hübsche Dekoration und ein kräftiger Aromageber in Wildkräuterlimonade, Bowle, Sorbet, Wildpflanzensalz und Kräuteressig/-öl. Auch die Früchte lassen sich frisch oder getrocknet als Gewürz verwenden [3, 7].
LUPINEN-HUMMUS MIT GIERSCH
FÜR 4 PERSONEN
vegan
Für den Hummus
200 g gekochte Lupinen
1 El (20 g) Tahin
1 Knoblauchzehe
80 ml Wasser
1 Tl Miso
Saft von 1/2 Zitrone
1 Tl Apfelessig
Salz, Pfeffer
Für das Giersch-Öl
1 große Handvoll Giersch-Blätter
25 ml Olivenöl
1 Prise Salz
Alle Zutaten für den Hummus im Multi-Zerkleinerer pürieren und abschmecken.
Für das Giersch-Öl klein geschnittene Giersch-Blätter, Olivenöl und Salz mit dem Pürierstab mixen.
Hummus in einer Schüssel anrichten und mit dem Giersch-Öl übergießen. Zur Dekoration eignen sich außerdem z.B. Lupinen, Chiliflocken, Fleur de Sel, Pfeffer, Gierschblätter und Zitronenabrieb.
Im Umgang mit essbaren Wildpflanzen gilt: Sammle nur, was du hundertprozentig bestimmen kannst und nicht unter Naturschutz steht. Probier erst eine kleine Menge, wenn du eine Wildpflanze zum ersten Mal zu dir nimmst. Recherchiere potentielle Kontraindikationen, z.B. bei Medikamenteneinnahme, Schwangerschaft oder Allergien. Für Schäden kann keine Haftung übernommen werden.
Literatur
[1] Rapunzel Naturkost: Warenkunde: Süßlupine, unter: https://www.rapunzel.de/warenkunde-suesslupine.html (abgerufen am 06.03.2020).
[2] Lüder, R., Lüder, F.: Doldenblütler von Pastinakengemüse bis Schierlingsbecher: Essbare Doldengewächse und ihre Verwechslungsmöglichkeiten. Kreativpinsel Verlag, Neustadt 2019.
[3] Strauß, M.: Die 12 wichtigsten essbaren Wildpflanzen: bestimmen, sammeln, zubereiten. Walter Hädecke Verlag, Weil der Stadt 2010.
[4] Lüder, R., Lüder, F.: Doldenblütler von Pastinakengemüse bis Schierlingsbecher: Essbare Doldengewächse und ihre Verwechslungsmöglichkeiten. Kreativpinsel Verlag, Neustadt 2019.
[5] Aichele, D., Golte-Bechtle, M.: Was blüht denn da? Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2005.
[6] Hansch, S., Schwarzer, E.: Der Giersch muss weg! 28 Unkräuter bekämpfen oder einfach aufessen. Eugen Ulmer, Stuttgart 2019.
[7] Fleischhauer, S. G., Guthmann, J., Spiegelberger, R.: Enzyklopädie essbare Wildpflanzen. AT Verlag, Aarau und München, 2016.