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Blanchierte Löwenzahn-Rosetten

Immer wieder begegnen mir Menschen, die felsenfest davon überzeugt sind, Löwenzahn (Taraxacum sect. Ruderalia, Asteraceae) sei wegen des weißen Milchsafts giftig. Das ist wirklich schade, denn erstens stimmt es nicht und zweitens ist Löwenzahn ein fantastisches Wildgemüse, das so gut wie jeder erkennt! Der Milchsaft hinterlässt zwar Flecken auf der Kleidung, aber das sollte uns nicht davon abhalten Löwenzahn zu ernten. Wer schon einmal den Strunk von frischem Kopfsalat (ein Korbblütler wie Löwenzahn!) entfernt hat, weiß, dass an der Schnittstelle ebenfalls Milchsaft austritt. Deswegen ist Salat noch lange nicht ungenießbar.

Jetzt – nach den ersten warmen Frühlingstagen – ist genau der richtige Zeitpunkt Blattrosetten des Löwenzahns zu ernten. Die wintergrünen Pflanzen haben schon junge Blätter gebildet, sie schmecken aber noch deutlich milder als nach der Blüte, die in den kommenden Wochen beginnt und bis Juni/Juli anhält. Natürlich eigenen sie sich roh im Salat, aber das Blanchieren mildert den Geschmack etwas (wie du in diesem Beitrag nachlesen kannst) und verleiht den Rosetten eine tolle, fast cremige Konsistenz. Mit Zitronensaft und Olivenöl ergibt das eine schnelle, leckere Vorspeise. Die Art der Zubereitung orientiert sich am griechischen Gericht Chorta, bei dem bitteres Wildgemüse gekocht und mit Olivenöl sowie Zitronensaft kalt als Salat verspeist wird. Ähnlich wird auch die italienische Puntarelle zubereitet, eine Zuchtform der Wegwarte (Cichorium intybus, Asteraceae), die im Winter häufig auf deutschen Wochenmärkten als Vulkanspargel angeboten wird.

Tatsächlich könnte man Löwenzahn vor der Blüte mit Wegwarte oder einem weiteren Korbblütler, dem Wiesen-Pippau (Crepis biennis, Asteraceae) verwechseln. Deren Blätter sind jedoch behaart und es wäre auch nicht schlimm, da sie ebenfalls essbar sind. Am scharf gezähnten Blattrand ist Löwenzahn jedoch gut zu erkennen. Je nach Standort können seine Blätter 5–40 cm lang werden [1]. Wo er Platz zum Ausbreiten hat, wachsen sie aufrecht, ansonsten bleibt die Rosette flach, um sich gegen Konkurrenten durchsetzen zu können. Zum Sammeln solltest du unbedingt ungedüngte Standorte aufsuchen, da Löwenzahn Stickstoff anreichert, z.B. den eigenen Garten oder eine Streuobstwiese. Am einfachsten lassen sich die Blattrosetten mit einem Messer abschneiden – nicht zu weit oben, sondern mit einem Stück der Wurzel, sonst zerfallen sie in einzelne Blätter.

Blattrosette des Löwenzahns (Taraxacum sect. Ruderalia, Asteraceae)

Löwenzahn fühlt sich an vielen Standorten wohl – solange es halbwegs sonnig ist – etwa auf Ruderalstellen und nährstoffreichen Weiden. Im Mai bildet er einen Teppich gelber Blüten auf gedüngten Wiesen. Was aussieht wie eine große Blüte, sind tatsächlich unzählige kleine Zungenblüten, die zusammen ein Köpfchen bilden. Alles über diesen besonderen Blütenstand der Korbblütler erfährst du in diesem Blog-Beitrag. Jede Blüte bringt eine Nussfrucht hervor mit einem Samen darin. Hunderte von diesen Früchtchen sitzen dicht an dicht auf einem Köpfchen am Ende eines hohlen, unbeblätterten Stängels. Sie sind stielartig verlängert (geschnäbelt) und enden in einem sogenannten Pappus (das, was oft als Pusteblume bezeichnet wird) und verbreiten sich so mit dem Wind. [2]

Loewenzahn-Bluetenstand
Blütenstand des Löwenzahns (Taraxacum sect. Ruderalia, Asteraceae)
Loewenzahn-Fruechte
Früchte mit geschnäbeltem Pappus

Löwenzahn ist nicht nur häufig anzutreffen, er enthält auch noch viele wertvolle Inhaltsstoffe: Vitamin C, Kalium, Magnesium, Bitterstoffe, Flavonoide, Kumarine und Inulin. Von der Wurzel, über die Blätter, den Stängel bis hin zum Blütenstand ist wirklich alles an ihm essbar. Die Pfahlwurzel lässt sich getrocknet und geröstet als Kaffee-Ersatz oder Wurzelgemüse verwenden. Die Blätter machen sich roh oder gekocht gut, z.B. als gedünstetes Gemüse. Die Blütenknospen kann man ebenfalls dünsten oder als falsche Kapern einmachen. Die Blüten ergeben ein schönes Gelee, Sirup (oft als „Honig“ bezeichnet) oder essbare Dekoration. [3, 4]

Als wären das nicht schon genug Argumente, sich näher mit Löwenzahn zu beschäftigen, kann er darüber hinaus als Heilpflanze auf eine uralte Tradition zurückblicken: Blätter und Wurzel wirken harntreibend, appetit-, stoffwechsel- und gallenflussanregend. Einsatz finden sie entsprechend bei Verdauungsbeschwerden, zur Durchspülung der Harnwege, bei Appetitlosigkeit und in Frühjahrskuren (sollten allerdings nicht bei Gallensteinen verwendet werden) [3–5]. Der Begründer der Makrobiotik bezeichnete Löwenzahn als europäischen Ginseng – ein Allheilmittel und stärkendes Tonikum [4]. Vielleicht genau das, was dein Körper jetzt benötigt, um Frühjahrsmüdigkeit zu vertreiben?

Loewenzahn-blanchiert

BLANCHIERTE LÖWENZAHN-ROSETTEN

FÜR 4 PERSONEN ALS VORSPEISE
glutenfrei, vegan, laktosefrei

Für das Wildgemüse
etwa 12 junge Rosetten vom Löwenzahn, je nach Größe mehr oder weniger
Fleur de Sel
Schwarzer Pfeffer, frisch und grob gemahlen

Für das Dressing
Saft einer halben Zitrone
2 El Olivenöl

Löwenzahn-Rosetten mehrmals gründlich in einer großen Schüssel Wasser waschen und nur so viel von der Pfahlwurzel entfernen, dass die Rosette noch zusammenhält. Anschließend in köchelndem Wasser 2–3 Minuten blanchieren. Für eine kalte Vorspeise die Rosetten in einer Schüssel Eiswasser abschrecken, ansonsten warm weiterverarbeiten. Rosetten gut abgetropft mit einem Dressing aus Zitronensaft und Olivenöl vermengen und anrichten. Mit Salz und Pfeffer bestreut servieren.

Im Umgang mit essbaren Wildpflanzen gilt: Sammle nur, was du hundertprozentig bestimmen kannst und nicht unter Naturschutz steht. Probier erst eine kleine Menge, wenn du eine Wildpflanze zum ersten Mal zu dir nimmst. Recherchiere potentielle Kontraindikationen, z.B. bei Medikamenteneinnahme, Schwangerschaft oder Allergien. Für Schäden kann keine Haftung übernommen werden.

Literatur

[1] Lüder, R.: Grundkurs Pflanzenbestimmung. Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim 2013.
[2] Lüder, R.: Grundlagen der Feldbotanik – Familien und Gattungen einheimischer Pflanzen. Haupt Verlag, Bern 2018.
[3] Fleischhauer, S. G., Guthmann, J., Spiegelberger, R.: Enzyklopädie essbare Wildpflanzen. AT Verlag, Aarau und München, 2016.
[4] Strauß, M.: Die 12 wichtigsten essbaren Wildpflanzen: bestimmen, sammeln, zubereiten. Walter Hädecke Verlag, Weil der Stadt 2010.
[5] Beiser, R.: Heilpflanzen-Tinkturen – Wirksame Pflanzenauszüge selbst gemacht. Eugen Ulmer, Stuttgart 2017.