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Pflanzenfamilien: Apiaceae (Doldenblütler)

Keine Pflanzenfamilie birgt so viele Gefahren und gleichzeitig so viele kulinarische Genüsse wie die der Doldenblütler oder Apiaceae! Typisch ist der hohe Gehalt an ätherischen Ölen, die einen aromatischen Geruch und Geschmack verleihen – entsprechend viele Gewürz-, Heil-, und Gemüsepflanzen gehören zu den Doldenblütlern. Wir nutzen beispielsweise die Früchte von Kümmel und Anis, die Blätter von Dill und Liebstöckel oder die Wurzeln der Möhre und Pastinake. Die Vertreter dieser Familie sind vor allem außerhalb der Tropen verbreitet. Es handelt sich dabei meist um Kräuter und Stauden. Bei uns findest du sie häufig auf Wiesen und an Wegrändern sowohl an feuchten als auch auf trockenen Standorten. [1, 2]

Wie der Name schon verrät, erkennst du Doldenblütler an ihrem charakteristischen Blütenstand, der Dolde:

  • Bei einer einfachen Dolde entspringen die Einzelblüten alle einem Punkt.
  • Bei einer zusammengesetzten oder Doppeldolde entspringen den Doldenstrahlen weitere sogenannte Döldchen wie beim Fenchel auf dem Foto unten.
Fenchel
Doppeldolde des Fenchels (Foeniculum vulgare, Apiaceae)

Die Einzelblüten der Apiaceae sind sehr einheitlich aufgebaut. Meist sind sie weiß, selten gelb, rosa oder bläulich. Ihr Kelch ist stark reduziert, es sind fünf Blüten- und fünf Staubblätter vorhanden. Bei manchen Gattungen wie dem Bärenklau auf dem Foto unten sind am Rand der Döldchen die nach außen gerichteten Blütenblätter vergrößert. Die von Insekten bestäubten Blüten sind oft wie flache Schüsseln geformt: So kommen Fliegen und Käfern leicht an den Nektar, der von einem Griffelpolster am Grund der Griffel abgesondert wird. Aus dem unterständigen Fruchtknoten geht eine trockene, zweiteilige Spaltfrucht hervor, die in zwei einsamige Teilfrüchte zerfällt. [1, 3]

Wiesen-Baerenklau
Einzelblüten des Wiesen-Bärenklaus (Heracleum sphondylium, Apiaceae)

Gerade weil Blüten und Blütenstand der Apiaceae so einheitlich ausfallen, muss man für die Bestimmung von Gattungen und Arten andere Merkmale heranziehen, z.B. die reifen Früchte. Entscheidend ist aber das Vorhandensein oder die Abwesenheit von Blättchen am Ansatz der Döldchen, sogenannte Hüllchen, und am Grund der Dolden, sogenannte Hüllen [1]. Auf dem mittleren Foto unten erkennst du die charakteristisch gespaltenen Hüll- und Hüllchenblätter der Wilden Möhre (Daucus carota, Apiaceae).

Wilde-Moehre
Blütenstand der Wilden Möhre (Daucus carota, Apiaceae)
Wilde-Moehre
Hüll- und Hüllchenblätter
Wilde-Moehre
Gefiederte Blätter mit Blattscheiden

Auf dem Foto rechts daneben siehst du weitere Charakteristika der Doldenblütler:

  • ausgeprägte Knoten (Nodien), an denen die Blätter gebildet werden, und hohle dazwischen liegende Stängelglieder (Internodien)
  • wechselständige, häufig gefiederte Blätter
  • aufgeblasene Blattscheiden am Blattgrund – besonders auffällig beim Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium, Apiaceae) auf dem Foto unten links [1, 3]
Wiesenbaerenklau
Aufgeblasene Blattscheide des Wiesen-Bärenklaus (Heracleum sphondylium, Apiaceae)
Wiesen-Baerenklau
Behaarte Blattoberfläche des Wiesen-Bärenklaus als Unterscheidungsmerkmal zum Riesen-Bärenklau

Wie viele Vertreter der Doldenblütler enthält Wiesen-Bärenklau Furocumarine mit phototoxischen Eigenschaften. Sein Pflanzensaft kann im Sonnenlicht Rötungen hervorrufen. Es empfiehlt sich, bei der Ernte dieser essbaren Wildpflanze Handschuhe zu tragen und nach dem Verarbeiten, wenn Haut mit Pflanzensaft in Berührung gekommen ist, die betroffenen Stellen ein bis zwei Tage nicht direktem Sonnenlicht auszusetzen [4, 5]. Der Pflanzensaft des berüchtigten, bis zu drei Meter hoch werdenden Riesen-Bärenklaus (Heracleum mantegazzianum, Apiaceae) ist deutlich aggressiver und kann richtige Verletzungen hervorrufen. Du solltest ihn auf keinen Fall mit Wiesen-Bärenklau verwechseln. Abgesehen von dem Größenunterschied lassen sich die beiden Arten durch die Behaarung der Blattoberfläche unterscheiden. Beim Wiesen-Bärenklau ist sie vorhanden (Foto oben rechts), beim Riesen-Bärenklau fehlt sie. Hier gilt: Vor der sicheren Bestimmung nur anschauen, nicht anfassen!

Einer der gefährlichsten Doldenblütler ist den meisten Menschen wahrscheinlich durch die Hinrichtung des Sokrates mit einem Becher Schierlingssaft bekannt. Fünfzig Gramm des Gefleckten Schierlings (Conium maculatum, Apiaceae) gelten als tödlich giftig [4]. Die Pflanze ist u.a. an dem kahlen, häufig rot gefleckten Stängel zu erkennen (Foto unten rechts). Auch weder Wasserschierling (Cicuta virosa, Apiaceae) noch die stark giftige Hundspetersilie (Aethusa cynapium, Apiaceae) sollten im Sammelkorb landen. Letztere erkennt man u.a. an den drei abstehenden Hüllchenblättern (siehe Foto unten links) und der glänzenden Blattunterseite.

Hundspetersilie
Dreiteilige, einseitswendige Hüllchen der Hundspetersilie (Aethusa cynapium, Apiaceae)
Gefleckter-Schierling
Kahler, rot gefleckter Stängel des Gefleckten Schierlings (Conium maculatum, Apiaceae)

Nichtsdestotrotz lohnt es, sich als Pflanzensammler mit den Apiaceae zu beschäftigen: Die Familie hält viele essbare Wildpflanzen und Heilpflanzen aus der Natur bereit: Süßdolde (Myrrhis odorata) Wiesen-Kerbel (Anthriscus sylvestris), Wiesen-Kümmel (Carum carvi), Giersch (Aegopodium podagraria), Meisterwurz (Peucedanum ostruthium), Wald-Engelwurz (Angelica sylvetris), Bärwurz (Meum athamanticum), den bereits erwähnten Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium) sowie die Wilde Möhre (Daucus carota) und viele andere. Bevor du mit dem Pflücken beginnst, solltest du aufgrund der giftigen Verwechslungsmöglichkeiten allerdings Erfahrung gesammelt haben, dir wirklich sicher sein und das Objekt deiner Begierde am besten über ganze Vegetationsperioden hinweg kennen gelernt haben.

Wie gesagt, an den Punkt einen Doldenblütler als solchen zu erkennen, wirst du schnell gelangen, aber die Art sicher zu bestimmen ist kniffelig. Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit höher, einen untypischen Vertreter der Apiaceae wie die Große Sterndolde (Astrantia major, Foto unten links) mit ihren großen, schauwirksamen Hüllblättern oder Mannstreu (Eryngium spec., Foto unten rechts) mit seinem zusammengezogenen Blütenstand nicht als Doldenblütler zu erkennen, als einen Vertreter aus einer anderen Familie dafür zu halten. Denn Dolden kommen zwar auch bei Efeu (Hedera helix, Araliaceae), Primeln (Primula spec., Primulaceae), Hartriegelgewächsen (Cornaceae), Schmetterlingsblütlern (Fabaceae) und Lauch-Arten (Allium spec.) vor, doch der Blütenaufbau und die weiteren Merkmale stimmen nicht mit denen der Doldenblütler überein [1, 3].

Im Moment sind Wilde Möhre, Wiesen-Bärenklau und Wald-Engelwurz in voller Blüte – die beste Zeit also, nach ein paar Dolden Ausschau zu halten, den Standort wiederholt aufzusuchen und sich Blüte, Frucht sowie Blätter im Wandel der Jahreszeiten einzuprägen! Ein gutes Bestimmungsbuch gibt dir Auskunft über Anzahl der Hüllen- und Hüllchen, Behaarung, Früchte und weitere wichtige Erkennungszeichen (siehe Literaturliste unten). Über Wilde Möhre, Giersch und Wiesen-Bärenklau findest du auf diesem Blog bereits Beiträge – so kannst du dich mit diesen beiden essbaren Wildpflanzen näher vertraut machen. Viel Spaß beim Entdecken!

Sterndolde
Einfache Dolde der Großen Sterndolde mit auffälligen Hüllblättern (Astrantia major, Apiaceae)
Mannstreu
Kugeliger, zusammengezogener Blütenstand einer Mannstreu-Art (Eryngium spec., Apiaceae)

Im Umgang mit essbaren Wildpflanzen gilt: Sammle nur, was du hundertprozentig bestimmen kannst und nicht unter Naturschutz steht. Probier erst eine kleine Menge, wenn du eine Wildpflanze zum ersten Mal zu dir nimmst. Recherchiere potentielle Kontraindikationen, z.B. bei Medikamenteneinnahme, Schwangerschaft oder Allergien. Für Schäden kann keine Haftung übernommen werden.

Literatur

[1] Lüder, R.: Grundkurs Pflanzenbestimmung. Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim 2013.
[2] Lüder, R., Lüder, F.: Doldenblütler von Pastinakengemüse bis Schierlingsbecher: Essbare Doldengewächse und ihre Verwechslungsmöglichkeiten. Kreativpinsel Verlag, Neustadt 2019.
[3] Hess, D.: Systematische Botanik. Eugen Ulmer, Stuttgart 2005.
[4] Fleischhauer, S. G., Guthmann, J., Spiegelberger, R.: Enzyklopädie essbare Wildpflanzen. AT Verlag, Aarau und München, 2016.
[5] Strauß, M.: Köstliches von Sumpf- und Wasserpflanzen: bestimmen, sammeln, zubereiten. Walter Hädecke Verlag, Weil der Stadt 2013.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Anne Rubner

    Großartig recherchiert – bzw. aus dem eigenen „Vollen“ (Wissen) geschöpft – und weitergegeben. Hier können auch BiologInnen ihre botanischen Kenntnisse auffrischen.
    Vielen Dank!

    1. Julia Hecht

      Dir ganz lieben Dank für deinen Kommentar und wertvolles Feedback – das freut mich wirklich sehr!

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