Genau wie bei den Buchen aus meinem letzten Blog-Post ist bei den Stiel-Eichen (Quercus robur, Fagaceae) 2020 ein richtiges Mastjahr. Schon seit Ende September – besonders nach einem windigen Tag – bedecken Eicheln dicht an dicht den Boden unter großen Eichen. Noch bis in den Januar hinein kann man sie gut auflesen, auch gekeimte Exemplare lassen sich verarbeiten. Sie sind sogar noch nährstoffreicher als ungekeimte. Wer sich bei der Bestimmung der Eichenart nicht sicher ist, braucht sich keine Sorgen zu machen: Die Früchte aller Eichenarten sind essbar – mit der entsprechenden Verarbeitung! Genau darum soll es in diesem Beitrag gehen. Ich zeige den Prozess Schritt für Schritt an den Eicheln der Stiel-Eiche (ein Bild zeigt zur Anschauung Eicheln der Rot-Eiche). Mit der Bestimmung unserer heimischen Eichen und einem Rezept beschäftigen wir uns im nächsten Artikel.
Nach dem Aufsammeln vom Boden bietet es sich an, Eicheln erst einmal zu waschen, z.B. im mit Wasser gefüllten Spülbecken. Gute sinken dabei nach unten, verwurmte schwimmen auf und lassen sich aussortieren. Man sollte die Eicheln sich nicht mit Wasser vollsaugen lassen und schnell abtrocknen. Im nächsten Arbeitsschritt geht es darum, den essbaren Teil der Eichel aus seiner Schale zu befreien – wie bei jeder anderen Nuss.
Eicheln schälen
Anders als z.B. bei Haselnüssen ist die Schale von Eicheln, die frisch vom Baum kommen, relativ weich, deshalb kommt man mit einem Nussknacker nicht sehr weit. Manche halbieren Eicheln mit einer Gartenschere oder nutzen ein scharfes Messer. Das ist mir ehrlich gesagt zu mühsam und zu gefährlich. Andere rösten Eicheln 10 Minuten im Ofen oder in einer Pfanne, bis die Schalen aufspringen. Das funktioniert gut, nur durch das Erhitzen verändert sich die Konsistenz der Eicheln: Sie werden weich und glasig, schließlich ist ein Teil der enthaltenen Stärke gekocht worden und verliert seine Bindefähigkeit.
Ich finde am einfachsten geht es, wenn man die gesammelten Früchte einlagig auf einem Tuch oder Zeitungspapier ausgebreitet mindestens 3–4 Wochen trocknen lässt. Dann reicht ein gezielter Schlag mit dem Pistill in einem schweren Mörser oder einem Hammer und die Schale springt auf. Sogar die papierartige Haut unter der äußeren Schale (die Samenschale) lässt sich leicht entfernen (zumindest bei Früchten der Stiel-Eiche), wenn Eicheln ganz getrocknet sind. Ein bisschen davon stört aber höchstens optisch. Getrocknet in ihren Schalen lassen sich Eicheln kühl und fest verschlossen mehrere Jahre aufbewahren. Die darin enthaltenen Gerbstoffe wirken als Konservierungsmittel. Je nach Bedarf lässt sich eine Portion zubereiten. Beachten sollte man nur, dass Eicheln im Laufe der Trocknungszeit immer härter werden. Gegebenenfalls musst du sie über Nacht in Wasser einweichen, um sie zerkleinern zu können.
Eicheln entbittern
Hast du schon einmal in eine Eichel gebissen? Wenn nicht: Es würde dir alles im Mund zusammenziehen und ein pelziger Geschmack würde sich auf deiner Zunge ausbreiten. Der Grund dafür ist der hohe Gehalt an Gerbstoffen/Tanninen. Diese Inhaltsstoffe finden sich in vielen Pflanzen als Schutz gegen Mikroorganismen und Insekten. Gerbstoffe fällen Proteine aus – das macht man sich beim Gerben von Tierhäuten zu Leder zunutze. Die zusammenziehende und entzündungshemmende Wirkung vieler Heilpflanzen geht ebenfalls auf Gerbstoffe zurück. In zu hohen Mengen führen sie jedoch zu Magenschleimhautreizungen und Erbrechen [1].
Der Gerbstoffgehalt von Eicheln schwankt stark je nach Standort, individuellem Baum und Eichenart. Einzelne Eichen sollen Früchte hervorbringen, die so süß im Geschmack sind, dass man sie aufs Butterbrot hobeln kann [1]. Die Eicheln der Korkeiche (Quercus suber, Fagaceae) sollen grundsätzlich sehr mild schmecken. Die berühmten Ibérico Schweine nähren sich als freilaufende Weideschweine von ihnen. Korkeichen findet man bei uns leider nicht, aber zum Glück sind Gerbstoffe wasserlöslich und lassen sich mit etwas Geduld aus Eicheln herauswaschen. Das Entbittern geht dabei schneller, je kleiner die Eichelstücke sind.
Es gibt zwei Möglichkeiten, Gerbstoffe auszuwaschen: Mit kaltem oder mit kochendem Wasser [2]. Die Ureinwohner Nord Amerikas entbitterten Eicheln, indem sie sie in einem Sack in Fließgewässer hingen. Heute können wir die Methode wie folgt nachstellen: Ein großes Gefäß wird zu einem Drittel mit Eicheln gefüllt und mit kaltem Wasser aufgegossen. Das Wasser wird täglich ein- bis zweimal gewechselt. Die meisten Autoren schreiben, dass man diesen Prozess wiederholt, bis sich das Wasser nicht mehr braun färbt. Ich mache es so lange, bis die Eicheln nicht mehr bitter schmecken (Das Wasser färbt sich dann manchmal immer noch). Bei großen Stücken kann das durchaus drei Wochen dauern.
Deutlich schneller geht es, wenn man Eicheln in der Küchenmaschine mit S-Klinge oder mit Wasser vermischt im Blender zu Schrot häckselt. Wer einen leistungsstarken Mixer besitzt, kann das Eichel-Wasser-Gemisch auch direkt zu feinem Mehl verarbeiten. Das Wasser zu wechseln ohne jedes Mal etwas Mehl mit auszukippen oder einen feinen Filter verwenden zu müssen, ist jedoch mühsam. Das entbitterte Eichelmehl wird schließlich getrocknet und nach Wunsch noch einmal fein gemahlen. Weiter unten nenne ich eine Alternative, um Eichelmehl herzustellen.
Schneller als mit kaltem Wasser soll das Entbittern gehen, wenn man Eicheln köchelt und das Wasser alle 30 Minuten durch frisches kochendes Wasser ersetzt [2]. Gießt man mit kaltem auf, werden die Gerbstoffe gebunden und lassen sich nicht mehr entfernen. Meiner Erfahrung nach zerfallen große Stücke, lange bevor sie mild sind und vor allem werden sie sehr dunkel. Darüber hinaus verliert die Stärke in den Eicheln durch das Erhitzen die Fähigkeit Flüssigkeit zu binden. Schlemmkreide oder Natron (1 Tl auf 2 l Wasser, egal ob heiß oder kalt) soll helfen Eicheln schnell zu entbittern, lässt sie jedoch weicher werden, weshalb ich die Methode nicht anwende [3]. Auch rösten soll einen Teil der Gerbstoffe entfernen, z.B. in der Asche eines Feuers oder etwa eine Stunde im Ofen [4]. Das reicht wohl, um aus den Eicheln Kaffee herzustellen, entfernt aber Gerbstoffe nicht vollständig.
Eicheln zubereiten: kochen, rösten, mahlen …
Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie sich Eicheln verwenden lassen, hilft ein Blick auf die Zusammensetzung: Sie enthalten 36% Stärke, 3,3% Eiweiß und 3,1% Fett [3]. Damit ähneln sie eher den stärkehaltigen Esskastanien (sind aber nicht so süß, sondern ziemlich geschmacksneutral, zumindest vor dem Rösten) als z.B. Mandeln oder Haselnüsse mit ihrem hohen Fett- und Eiweißgehalt.
Egal ob du deine gesammelten Eicheln heiß oder kalt entbitterst, wenn du sie nicht sofort verwendest, musst du sie haltbar machen. Es bietet sich an, sie einzufrieren: Dann hast du immer einen Vorrat parat, wenn ein Rezept gehackte Nüsse verwendet. Große Stücke lassen sich im Eintopf mitköcheln. Gekochte Eicheln eignen sich für Bratlinge oder püriert als Suppe.
Alternativ kannst du entbitterte Eicheln bei niedriger Temperatur im Ofen oder Dörrgerät trocknen und anschließend kühl lagern. Getrocknetes Eichelschrot lässt sich z.B. in einer leistungsstarken Küchenmaschine oder einer (elektrischen) Kaffeemühle zu feinem Mehl weiter verarbeiten. Da Eichelmehl kein Gluten enthält, lassen sich damit ohne Beigabe glutenhaltiger Mehle nur flache Fladenbrote oder Crêpes backen. Im Verhältnis 1:1 mit Weizen-/Dinkelmehl gemischt, eignet es sich gut als Streckmehl für Gebäck [1, 3]. Röstest du die Eichelstücke vor dem Mahlen, kannst du sogenannten Eichelkaffee herstellen: Etwa zwei Teelöffel des gerösteten Pulvers mit einer Tasse kochendem Wasser überbrüht ergeben ein aromatisches Getränk.
Jetzt weißt du, wie du Eicheln essbar machen kannst – ein Rezept mit gekochten Eichelstücken verrate ich dir im nächsten Blog-Beitrag. Wenn du Lust hast, noch mehr über die Verarbeitung von Eicheln zu erfahren, kann ich dir diese informative Folge des Eatweeds-Podcasts empfehlen!
Im Umgang mit essbaren Wildpflanzen gilt: Sammle nur, was du hundertprozentig bestimmen kannst und nicht unter Naturschutz steht. Probier erst eine kleine Menge, wenn du eine Wildpflanze zum ersten Mal zu dir nimmst. Recherchiere potentielle Kontraindikationen, z.B. bei Medikamenteneinnahme, Schwangerschaft oder Allergien. Für Schäden kann keine Haftung übernommen werden.
Literatur
[1] Fleischhauer, S. G., Guthmann, J., Spiegelberger, R.: Enzyklopädie essbare Wildpflanzen. AT Verlag, Aarau und München, 2016.
[2] Baudar, P.: The New Wildcrafted Cuisine: Exploring the Exotic Gastronomy of Local Terroir. Chelsea Green Publishing, White River Junction 2016.
[3] Strauß, M.: Köstliches von Waldbäumen: bestimmen, sammeln, zubereiten. Walter Hädecke Verlag, Weil der Stadt 2010.
[4] Nozedar, A.: The Hedgerow Handbook: Recipes, Remedies and Rituals. Square Peg, London 2012.