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Knospen, Borke, Wuchs – Bäume erkennen im Winter

Entlocke ich dir deinen Namen auch ohne grünes Laub oder Blüten? Es gleicht wirklich einem spannenden Detektivspiel, Hinweise auf die Identität eines Baums zu sammeln, nachdem sich die gewohnten Grüntöne und die bekannten Blattformen im Herbst verabschiedet haben. Man macht es sich unnötig schwer, wenn man nicht alle Anhaltspunkte berücksichtigt – auch wenn es vielleicht nicht besonders raffiniert ist, erst einmal nach Resten von Früchten oder Blättern am Boden oder am Gehölz Ausschau zu halten. Die perfekt geformten Haselnüsse im Titelbild oben geben so ziemlich schnell den Namen des Haselstrauchs (Corylus avellana, Betulaceae) preis, an dem sie hängen. Manche Blätter sind so reich an Gerbstoffen, dass sie sich nur langsam zersetzen und sich weit bis ins nächste Jahr am Fuß des Baums oder Strauchs finden lassen, der sie hervorgebracht hat. Die Blätter der Stiel-Eiche (Quercus robur, Fagaceae) gehören dazu.

Schwieriger wird es dann schon mit einem Merkmal, das wir eigentlich das ganze Jahr über wahrnehmen, meistens aber nicht besonders beachten: Die charakteristisch gefärbte und gestaltete Borke jeder Art, die erst im Alter ausgeprägt ist. An grau-braunen grobrissigen Plattten, die sich in großen Schuppen ablösen, ist z.B. die Rosskastanie (Aesculus hippocastanum, Sapindaceae) zu erkennen. Beiträge mit Bildern der rot-braunen Fichten-Borke (Picea abies, Pinaceae), der silbrig-grauen, glatten Buche (Fagus sylvatica, Fagaceae) und der längsrissigen Stiel-Eiche habe ich dir verlinkt.

Eichen-Blaetter
Blätter der Stiel-Eiche (Quercus robur, Fagaceae) auf dem Boden geben Hinweise auf den zughörigen Baum.
Rosskastanie-Borke
Die Borke der Rosskastanie (Aesculus hippocastanum, Sapindaceae) löst sich in groben Platten.

Die Oberfläche und Beschaffenheit junger Zweige kann aber genauso kennzeichnend für einen bestimmten Baum oder Strauch sein. Es lohnt sich auf folgende Merkmale zu achten:

  • Behaarung
  • Farbe
  • Korkwarzen (Foto siehe weiter unten beim Schwarzen Holunder)
  • Korkleisten
  • Dornen
  • Stacheln

Die Spitzen junger Haselzweige sind beispielsweise behaart. Die Zweige und Knospen des Sanddorns (Hippophae rhamnoides, Eleagnaceae) sind mit feinen, bronzefarbenen Schuppen besetzt und das Triebende läuft in einem Dorn aus.

Hasel
Junge Zweigspitzen der Hasel (Corylus avellana, Betulaceae) sind behaart.
Sanddorn
Zweige und Knospen des Sanddorns (Hippophae rhamnoides, Eleagnaceae) sind mit bronzefarbenen Schuppen besetzt.

Wenn du das Glück hast, vor einem frei stehenden Gehölz zu stehen, tritt mal einen Schritt zurück: Die Wuchsform eines Baums, der sich frei enthalten kann, ist ebenfalls ganz eigen. Das Foto unten zeigt dir die breit ausladende Krone einer Stiel-Eiche (Quercus robur, Fagaceae), die sich mitten in der Stadt entwickeln darf. Typisch sind auch die knorrig verdrehten Äste, die vor allem in die Waagrechte streben [1]. Natürlich verrät dir der Standort in der Regel ganz viel darüber, welche Gehölzarten du erwarten kannst: Am Ufer von Flüssen sind z.B. Weiden, Pappeln und Schwarz-Erlen zu erwarten, die eine zeitweise Überflutung vertragen.

Eiche
Freistehende Stiel-Eichen (Quercus robur, Fagaceae) sind am breit ausladenden Wuchs zu erkennen.

Gehen wir jetzt noch einmal ganz nah an den unbeblätterten Unbekannten heran. Das entscheidende Merkmal für die Bestimmung im Winterzustand sind Knospen: die Anlagen für Blätter und Blüten des kommenden Jahres. Manchmal sind sie ganz klein und unscheinbar, andere Male groß und auffällg. Einige Knospen beherbergen sowohl Blätter als auch Blüten, manche nur das eine oder das andere. Dann können sie sich an ein und demselben Gehölz in Form und Größe unterscheiden. Besonders auffällig ist das bei Schwarz-Erlen (Alnus glutinosa, Betulaceae): Männliche und weibliche Blütenknospen sowie Blattknospen sind alle violett überlaufen, aber ganz anders gestaltet. Die Blütenknospen sind darüber hinaus nackt. Das bedeutet, dass sie nicht von Knospenschuppen eingeschlossen sind, anders gestalteten Laubblättern, die Schutz vor Wind, Wetter und Fressfeinden bieten. Die Rosskastanie ist da ganz anders drauf: Sie hüllt ihre großen Blatt- und Blütenanlagen nicht nur in Knospenschuppen ein, sondern sorgt mit glänzendem, klebrigen Harz für zusätzliche Sicherheit.

Rosskastanien zeigen uns noch ein weiteres Bestimmungsmerkmal sehr deutlich. Siehst du auf dem Foto unten rechts die halbkreisförmigen bis dreieckigen Stellen am Zweig mit den dunklen Punkten darin? Hier ist im letzten Herbst ein Blatt abgefallen und hat eine Blattnarbe hinterlassen. Die Punkte sind sogenannte Bündelmale, Spuren von Gefäßbündeln, die vom Blattstiel in den Zweig gemündet sind. Blattnarben sind nicht immer so gut zu erkennen wie hier, aber ihre Gestalt ist charakteristisch für die jeweilige Art. Seitenknospen bilden sich definitionsgemäß oberhalb einer solchen Blattnarbe, also in der Achsel eines Blattes [2].

Erle
Bei der Schwarz-Erle (Alnus glutinosa, Betulaceae) sind männliche und weibliche Blütenknospen nackt und jeweils anders gestaltet als die Blattknospen (von links nach rechts gezeigt).
Rosskastanie-Knospe
Rosskastanien (Aesculus hippocastanum, Sapindaceae) sind gut an den harzigen Knospenschuppen und ausgeprägten Blattnarben zu erkennen.

Wie Seitenknospen entlang eines Zweigs angeordnet sind, ist ebenfalls interessant für die Bestimmung. Wechselständige Knospen wachsen versetzt am Zweig, so wie bei der Weide (Salix spec., Salicaceae) unten auf dem Foto. Gegenständige Knospen sitzen sich gegenüber – als Beispiel habe ich hier den Schwarzen Holunder gewählt.
Die gegen- oder wechselständige Anordnung der Knospen setzt sich im gesamten Gehölz fort, also auch bei den Ansatzstellen der Blätter und in der Verzweigung der (älteren) Äste. Da die Mehrzahl unserer Gehölze wechselständig beblättert ist, lohnt es sich die häufigsten Familien mit gegenständig beblätterten Arten einzuprägen – so lassen sich auf einen Schlag eine ganze Menge Arten ausschließen. Dazu gehören unter anderem:

  • Moschuskrautgewächse (Adoxaceae) mit den Vertretern Holunder (Sambucus) und Schneeball (Viburnum)
  • Geißblattgewächse (Caprifoliaceae), zu denen Geißblatt (Lonicera) und Schneebeere (Symphoricarpos) gehören
  • Spindelbaumgewächse (Celastraceae), z.B. Pfaffenhütchen (Euonymus)
  • Hartriegel (Cornus) aus der Familie der Hartriegelgewächse (Cornaceae)
  • Ölbaumgewächse (Oleaceae) inkl. Olivenbaum (Olea), Flieder (Syringa), Esche (Fraxinus) und Liguster (Ligustrum)
  • Seifenbaumgewächse (Sapindaceae) mit Ahorn (Acer) und Rosskastanie (Aesculus)
Weide
Knospen der Weiden (Salix spp., Salicaceae) sind wechselständig angeordnet und von nur einer Knospenschuppe bedeckt.
Holunder
Die gegenständige Knospen des Schwarzen Holunders (Sambucus nigra, Adoxaceae) öffnen sich sehr früh im Winter.

Jetzt wird es noch einmal kniffelig zum Schluss: Manche Gehölze besitzen zusätzlich zu Seitenknospen sogenannte Endknospen, die einen Zweig beenden. Gibt es Beiknospen neben der Endknospe nennt man sie subterminale Seitenknospen. Bei der gegenständig beblätterten Esche mit ihren charakteristisch schwarzen Knospen sind sowohl eine Endknospe als auch zwei subterminale Seitenknospen vorhanden.

Der Gewöhnliche Flieder (Syringa vulgaris, Oleaceae), den man als Zierpflanze in vielen Gärten findet, ist ebenfalls gegenständig beblättert. Seine Zweige weisen anstelle einer Endknospe nur zwei subterminale Seitenknospen auf. Flieder gehört also zu den Bäumen und Sträuchern, die nur Seitenknospen bilden.

Esche
Die Esche (Fraxinus excelsior, Oleaceae) besitzt schwarze Knospen, die gegenständig wachsen. Eine Endknospe ist vorhanden.
Flieder
Gegenständige Knospen des Gewöhnlichen Flieders (Syringa vulgaris, Oleaceae), sogenannte subterminale Seitenknospen.

Zur Erinnerung: Seitenknospen stehen immer in der Achsel eines Blattes. Wenn die Blattnarbe des Tragblatts, in dessen Achsel die Seitenknospe sitzt, und der Ansatz eines weiterführenden Zweiges sehr unscheinbar sind, wie bei Hasel (Foto weiter oben) und Hainbuche (Foto unten), kann man eine wechselständige Seitenknospe am Ende eines Zweigs fälschlicherweise für eine Endknospe halten, tatsächlich ist es eine subterminale Seitenknospe. Dieses Problem gibt es bei gegenständigen Gehölzen nicht, denn dort sitzen sich ja immer zwei Seitenknospen gegenüber!

Um das Bild zu vervollständigen: Es gibt auch wechselständige Gehölze mit Endknospen, z.B. die Stiel-Eiche. Die genaue Unterscheidung zwischen Seiten- und Endknospen kommt aber nur dann zum Tragen, wenn man mit einem Bestimmungsschlüssel arbeitet und ist dann eine potentielle Fehlerquelle [2].

Hainbuche
Die kleine Blattnarbe der wechselständig beblätterten Hainbuche (Carpinus betulus, Betulaceae) verrät, dass es sich hier um eine subterminale Seitenknospe, keine Endknospe, handelt.
Eichenknospen
Die Endknospe der wechselständigen Stiel-Eiche (Quercus robur, Fagaceae) wird von mehreren subterminalen Seitenknospen begleitet.

Wie immer zeigt sich – wenn man genau hinschaut – eine unglaubliche Vielfalt an Details! Am Elegantesten sind Gehölze im Winter zu erlernen, wenn du einem Exemplar im Garten, auf dem Weg zur Arbeit, entlang deiner Jogging-Strecke regelmäßig im Verlauf der Jahreszeiten einen Besuch abstattest!

Im Umgang mit essbaren Wildpflanzen gilt: Sammle nur, was du hundertprozentig bestimmen kannst und nicht unter Naturschutz steht. Probier erst eine kleine Menge, wenn du eine Wildpflanze zum ersten Mal zu dir nimmst. Recherchiere potentielle Kontraindikationen, z.B. bei Medikamenteneinnahme, Schwangerschaft oder Allergien. Für Schäden kann keine Haftung übernommen werden.

Literatur

[1] Cohu, W.: Out of the woods – The armchair guide to trees. Short Books, London 2015.
[2] Lüder, R.: Grundkurs Gehölzbestimmung. Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim 2012.