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Springkraut-Relish

Das erste Rezept dieses Blogs soll etwas sein, das noch niemand gekocht hat und das sich zu Recht Wildkräuter-Rezept nennen kann. Eine essbare Wildpflanze muss die tragende Rolle übernehmen, nicht nur hübsches Beiwerk bilden. Aber welche?

Eine Pflanze drängt sich mir regelrecht auf, da sie im Moment nicht zu übersehen ist: das Drüsige oder Indische Springkraut (Impatiens glandulifera, Balsaminaceae). Es tritt massenhaft an Ufersäumen und in Auwäldern auf, wird bis zu 2 m hoch, die fast 4 cm langen Blüten leuchten schon von Weitem in rot, rosa oder weiß. Nicht verwunderlich, dass die Engländer es  Jewelweed nennen, Juwelenkraut. In Deutschland wurde es etwa 1915 zum ersten Mal verwildert beobachtet. Ursprünglich stammt die als Zierpflanze eingeführte Art aus dem indisch-nepalischen Himalaja [1,2].

Impatiens-glandulifera
Indisches Springkraut (Impatiens glandulifera, Balsaminaceae)

Der Name „Springkraut“ bezieht sich auf die Kapselfrüchte, die bei der kleinsten Berührung ihre Samen fortschleudern – über 6 m weit! Eine Pflanze verbreitet auf diesem Weg bis zu 4000 Samen [1, 3]. Mit dieser Strategie hat sich das Indische Springkraut als recht invasiver Neophyt entpuppt. Aber wenn es nun schon einmal da ist, können wir es genauso gut aufessen. Bis zum ersten starken Frost bietet das Springkraut reichlich Pflanzenmasse – genug Zeit also, um damit zu experimentieren.

Aber wie ist es denn um die Essbarkeit bestellt? Es lohnt sich immer als Erstes einen Blick in die Onlinedatenbank der britischen Non-Profit-Organisation Plants For A Future zu werfen, die den medizinischen und kulinarischen Nutzen von 7000 Pflanzen dokumentiert. Hinweise zum Anbau gibt es ebenfalls. Dort heißt es: Roh und in größeren Mengen sollte man das Indische Springkraut nicht verzehren, dann wirkt es nämlich abführend und harntreibend [4, 5]. Besonders bei Rheuma, Gicht und ähnlichen Erkrankungen ist Vorsicht geboten. Junge Blätter und Triebspitzen lassen sich als Gemüse kochen, aber auch wenn man das Kochwasser mehrfach wechselt, sind sie rau im Nachgeschmack [3, 5, 6].

Die Samen – da scheinen sich alle einschlägigen Autoren einig – sind jedoch eine Delikatesse: knackig und nussig, lecker in Pesto, Aufläufen, Bratlingen, Gebäck, geröstet fantastisch im Müsli oder über Salat gestreut. Aufgrund ihres hohen Ölgehalts können sie zu Speiseöl gepresst werden. Verwenden lassen sich sowohl die jungen weißen als auch die dunklen ausgereiften Samen [3, 5, 6]. Auch die Blüten sind in kleinen Mengen essbar: als Deko im Salat oder Aromageber in Essig oder Gelee [6]. 

Impatiens glandulifera
Impatiens glandulifera

Alle Erfahrungsberichte weisen also daraufhin, sich den Samen zu widmen. Es scheint mir allerdings schade um die saftigen Kapseln, die sich leicht miternten lassen, und recherchiere weiter. Tatsächlich berichtet Adele Nozedar in ihrem wunderschön illustrierten Buch „The Hedgerow Handbook – Recipes, Remedies and Rituals“ (Square Peg, London 2012), dass sie Springkrautfrüchte roh knabbert. Und der bekannte britische „Forager“ Robin Harford bereitet ein Curry mit den Samen des Indischen Springkrauts zu, in dem auch noch einiges an Früchten steckt. Das Rezept ist auf seiner Website veröffentlicht.

Ich bin also fest entschlossen die Kapseln nicht zu verschwenden und schnappe mir ein hohes schmales Gefäß, das sich leicht über die Früchte stülpen lässt. Eine Tüte würde genauso gut gehen. Jetzt muss ich nur noch ein bisschen schütteln und schon landen die Samen darin. Die Früchte lassen sich leicht abzwicken. Mit dieser Technik verhindert man, dass sich die Samen der invasiven Art weiter ausbreiten. Auch auf dem Nachhauseweg sollte man aufpassen, nicht versehentlich welche auszustreuen. Reste, die man nicht verarbeitet, gehören auf keinen Fall in den Kompost.

Impatiens glandulifera

Jetzt muss nur noch eine Idee her für etwas, das in kleinen Mengen verzehrt wird, vielleicht als Würze auf dem Sandwich, zu Nudeln oder einer Gemüse-Bowl … Die hellgrüne Farbe, das knackige durchscheinende Fruchtfleisch der Springkrautkapseln erinnern einfach zu sehr an Gurke, um mich nicht den Gedankensprung zu einem Gurkenrelish machen zu lassen, der Würzsauce mit Senf und Dill, nur eben mit Springkrautfrüchten. Das Ergebnis – in kleinen Mengen verzehrt – ist köstlich! Die Früchte steuern zwar nicht viel zum Geschmack bei (das übernehmen Essig, Zucker und Gewürze), aber gemeinsam mit den Samen ergibt sich eine spannende Konsistenz.

PS: Die gelben Blüten und Samen des aus Ost-Asien stammenden Kleinblütigen Springkrauts (Impatiens parviflora) und des heimischen Rührmichnichtans (Impatiens noli-tangere) sind ebenfalls essbar – zwei weitere Springkräuter, denen wir begegnen können [5].

Springkraut-Relish

SPRINGKRAUT-RELISH

FÜR 4 PERSONEN
glutenfrei, vegan

100 g Springkrautfrüchte inklusive Samen
1 kleine Zwiebel
20 g frischer Ingwer
100 ml Apfelessig
80 g Vollrohrzucker
1 Tl Kurkuma, gemahlen
2 Tl Senfsaat
1/2 Tl Salz

Springkrautfrüchte und Samen in einem Sieb abbrausen und abtropfen lassen. Zwiebel und Ingwer schälen und fein würfeln.
Essig und Zucker in einem kleinen Topf erhitzen, bis sich der Zucker gelöst hat. Alle weiteren Zutaten dazu geben und auf kleiner Flamme 10 Minuten zugedeckt köcheln lassen. Deckel entfernen und ein paar Minuten eindicken lassen, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. In ein sauberes Glas füllen. Im Kühlschrank hält sich das Relish mehrere Monate.

Im Umgang mit essbaren Wildpflanzen gilt: Sammle nur, was du hundertprozentig bestimmen kannst und nicht unter Naturschutz steht. Probier erst eine kleine Menge, wenn du eine Wildpflanze zum ersten Mal zu dir nimmst. Recherchiere potentielle Kontraindikationen, z.B. bei Medikamenteneinnahme, Schwangerschaft oder Allergien. Für Schäden kann keine Haftung übernommen werden.

Literatur

[1] Lüder, R.: Grundkurs Pflanzenbestimmung. Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim 2013.
[2] Aichele, D., Golte-Bechtle, M.: Was blüht denn da? Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2005.
[3] Strauß, M.: Köstliches von Sumpf- und Wasserpflanzen: bestimmen, sammeln, zubereiten. Walter Hädecke Verlag, Weil der Stadt 2013.
[4] Fern, K., Plants For A Future, unter: https://pfaf.org/user/Plant.aspx?LatinName=Impatiens+glandulifera (abgerufen am 26.09.2019).
[5] Fleischhauer, S. G., Guthmann, J., Spiegelberger, R.: Enzyklopädie essbare Wildpflanzen. AT Verlag, Aarau und München, 2016.
[6] Beiser, R.: Unsere essbaren Wildpflanzen. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2014.