Kreuzblütler – eine Pflanzenfamilie, die du auf der Jagd nach essbaren Wildpflanzen im Frühling unbedingt kennenlernen solltest! Zum einen sind frühblühende Vertreter wie Blaukissen (Aubrieta), Steinkresse (Aurinia) und Schleifenblume (Iberis) jetzt in den meisten Vorgärten zu bewundern, so dass sich ihre Merkmale gut einprägen lassen. Zum anderen handelt es sich um eine sehr sichere Familie mit zahlreichen schmackhaften Wildkräutern, die am Aufbau ihrer meist gelben oder weißen, seltener violetten Blüte eindeutig zu erkennen sind.
Weltweit betrachtet finden sich Kreuzblütler vor allem auf der nördlichen Erdhalbkugel. In der Regel wachsen sie als einjährige Kräuter oder Stauden. Häufig handelt es sich dabei um Ruderalpflanzen, die in kürzester Zeit unzählige Samen produzieren und Freiflächen wie Äcker und Bauplätze besiedeln. Ihre Blätter sind meist wechselständig am Stängel angeordnet oder in grundständigen Rosetten. Die Form kann von einfach, gelappt oder fiederspaltig bis hin zu gefiedert reichen. [1, 2]
Der deutsche Familienname, Kreuzblütler, erklärt sich aus der Stellung der Kelchblätter: vier von ihnen stehen kreuzweise zu vier Blütenkronblättern, sozusagen auf Lücke. Sie umschließen sechs Staubblätter, von denen 4 lang und 2 kurz sind. Auf dem Foto des Frühlings-Hungerblümchens (Erophila verna, Brassicaceae) unten erkennst du gut die Anzahl der Staubblätter. Aber hoppla, acht Blütenblätter? Tatsächlich sind sie so tief zweispaltig, dass es aussieht als wüchsen acht statt vier Kronblätter.
Die Frucht der Brassicaceae wird als Schote oder Schötchen bezeichnet. Bei der Benennung ist nicht die Größe entscheidend, sondern das Verhältnis zwischen Länge und Breite: längliche Schoten sind mehr als dreimal so lang wie breit, rundliche Schötchen werden bis zu dreimal so lang wie breit. Sie entwickeln sich aus einem oberständigen Fruchtknoten. Eine Trennwand (falsche Scheidewand) teilt den Fruchtknoten in zwei Fächer. An ihr entwickeln sich die Samen. [1, 2]
Weiteres Erkennungsmerkmal der vorgestellten Pflanzenfamilie: antibakterielle, stoffwechselanregende Senfölglykoside/Glukosinolate, die den Vertretern ihren typisch scharfen Geschmack und/oder Geruch verleihen. Es handelt sich dabei um schwefel- und stickstoffhaltige Verbindungen, die den Pflanzen als Abwehrstoffe gegen Fraßfeinde dienen. Sie regen Leber und Gallentätigkeit an, wirken antimikrobiell und anitmykotisch, können bei Infektionen der Atem- und Harnwege helfen, sind durchblütungs- und verdauungsfördernd. [3, 4]
In der Pflanzenzelle sind Senföle (Isothiocyanate) mit einem Zuckermolekül (Glykosid) verknüpft. Ihre Wirksamkeit entfalten sie erst bei mechanischer Verletzung des Pflanzengewebes. Dann werden nämlich Enzyme freigesetzt, die den Zuckerrest abspalten [3]. Dieses Phänomen kannst du beim Kleinschneiden vieler unserer Kulturgemüse beobachten, die – du hast es erraten – zur Familie der Kreuzblütler gehören: Weiß-, Rot-, Grün-, Blumen- und Rosenkohl, Kohlrabi sowie Brokkoli (sämtliche vorgenannten Gemüse sind Varietäten einer einzigen Art, Brassica oleracea!), Chinakohl, Pak Choi, Mairübe, Rettich, Radieschen, Rucola, Kresse, Meerrettich, Senf, Raps und Steckrübe.
Zu den bekannten essbaren Wildpflanzen aus der Familie der Kreuzblütler zählen u.a.: Acker-Hellerkraut, Acker-Senf, Acker-Hederich, Barbarakraut, Brunnenkresse, Hirtentäschelkraut, Knoblauchsrauke, Schaumkräuter (Gattung Cardamine: z.B. Wiesen-, Wald-, Behaartes und Bitteres Schaumkraut), Wegrauke.
Insgesamt handelt es sich bei Kreuzblütlern um eine gute Einsteiger-Familie für Pflanzensammler und Pflanzensammlerinnen: Alle Vertreter sind mehr oder weniger essbar, einzige Ausnahme ist der als Zierpflanze verwendete Goldlack (Erysimum x cheiri), da er Herzglykoside enthält [1]. Es ist umstritten, ob andere Arten der Gattung Erysimum essbar sind oder nicht, wie der bei uns vorkommende Acker-Schöterich (Erysimum cheiranthoides) [1, 3, 5, 6]. Da es genug leckere Kreuzblütler gibt, würde ich die Finger von den Schöterichen lassen.
Um Verwechslungen auszuschließen, gebe ich dir folgende Hinweise mit auf den Weg: Es gibt Pflanzenfamilien, die wie Kreuzblütler vier Blütenkronblätter besitzen, nicht jedoch genau sechs Staubblätter. Sie unterscheiden sich darüber hinaus in weiteren Merkmalen:
- Nachtkerzengewächse (Onagraceae): meist 8 Staubblätter, ungeteilte Blätter, häufig eine vierteilige Narbe und ein unterständiger Fruchtknoten
- Mohngewächse (Papaveraceae): unzählige Staubblätter und Milchsaft
- Rötegewächse (Rubiaceae): quirlständige Blätter und ein unterständiger Fruchtknoten [1, 2]
Auf den ersten Blick könnte man auch die Früchte der Schmetterlingsblütler, die sogenannten Hülsen, für Schoten halten – denk an Zuckerschoten und grüne Bohnen! Sie besitzen jedoch keine Trennwand in der Mitte.
Zum Schluss noch einmal die Zusammenfassung, woran du die vorgestellte Pflanzenfamilie erkennst. Wenn du folgende Merkmale antriffst, kannst du sicher sein, dass es sich um eine Brassicaceae handelt:
- Kreuzblüten
- Schoten
- stechender Geruch / scharfer Geschmack
Viel Spaß beim Entdecken und Frühjahrsblüher bestaunen!
Im Umgang mit essbaren Wildpflanzen gilt: Sammle nur, was du hundertprozentig bestimmen kannst und nicht unter Naturschutz steht. Probier erst eine kleine Menge, wenn du eine Wildpflanze zum ersten Mal zu dir nimmst. Recherchiere potentielle Kontraindikationen, z.B. bei Medikamenteneinnahme, Schwangerschaft oder Allergien. Für Schäden kann keine Haftung übernommen werden.
Literatur
[1] Lüder, R.: Grundkurs Pflanzenbestimmung. Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim 2013.
[2] Lüder, R.: Grundlagen der Feldbotanik – Familien und Gattungen einheimischer Pflanzen. Haupt Verlag, Bern 2018.
[3] Fleischhauer, S. G., Guthmann, J., Spiegelberger, R.: Enzyklopädie essbare Wildpflanzen. AT Verlag, Aarau und München, 2016.
[4] Beiser, R.: Heilpflanzen-Tinkturen – Wirksame Pflanzenauszüge selbst gemacht. Eugen Ulmer, Stuttgart 2017.
[5] Aichele, D., Golte-Bechtle, M.: Was blüht denn da? Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2005.
[6] Bissegger, M.: Meine wilde Pflanzenküche: bestimmen, sammeln und kochen von Wildpflanzen. AT Verlag, Aarau und München 2017.