Welches Bild hast du vor Augen, wenn du das Stichwort Pflanze hörst? Die exotisch blühende Orchidee auf deiner Fensterbank? Die duftende Rose in deinem Garten? Blaue, rote und weiße Blütentupfer von Klatschmohn, Kornblume und Kamille an einem Getreidefeld? Ich vermute, es ist eher eine Pflanze mit auffällig gefärbten Blüten als z.B. grüne Zweige einer Tanne oder Eibe wie im Foto oben. Es wäre jedenfalls nicht verwunderlich, denn Blütenpflanzen sind mit etwa 260 000 Arten heute die mit Abstand artenreichste und am weitesten verbreitete Pflanzengruppe [1].
Das war jedoch nicht immer so! Blütenpflanzen im engeren Sinn begannen „erst“ vor etwa 130 Millionen Jahren zu entstehen – parallel zu den sie bestäubenden Insekten [1, 2]. Es bildeten sich u.a. auffällige Blütenblätter und Nektardrüsen, die Bestäuber anlockten. Doch nicht nur das war neu. Die sich entwickelnden Samen der Blütenpflanzen sind komplett von einer schützenden Hülle, den sogenannten Fruchtblättern eingeschlossen. Deshalb bezeichnet man diese Pflanzengruppe auch als Bedecktsamer oder Angiospermen. Den Bereich eines Fruchtblatts, der Pollen als Voraussetzung für eine erfolgreiche Befruchtung empfängt, bezeichnet man als Narbe. Aus den Fruchtblättern (und manchmal weiteren Teilen der Blüte) entwickeln sich dann die unterschiedlichsten Früchte. Blütenpflanzen stehen damit vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, sich auszubreiten und unbesiedelte Standorte zu erobern: Beeren (Früchte, deren gesamte Fruchtwand fleischig ist) werden beispielsweise von Vögeln gefressen, die unverdauten Samen scheiden sie an einem anderen Ort wieder aus.
Ohne die Entwicklung der roten, saftigen, halb offenen, kugeligen Gebilde, die sich im Spätsommer an den Zweigen der Eibe (Taxus baccata, Taxaceae) bilden, genau beobachtet zu haben, könnte man sie ohne Weiteres für Beeren halten. Tatsächlich erfüllen sie genau dieselbe Funktion: Tiere anzulocken, die dann für die Verbreitung der Samen sorgen.
Was wir jedoch vor uns haben, ist Folgendes: Ein exponierter dunkelgrüner Same, der von einem roten, sogenannten Samenmantel oder Arillus umgeben ist [2, 3]. Der Samenmantel ist zunächst hellgrün und wächst erst im Laufe der Zeit von der Basis aus nach oben. Die Samenanlage liegt also von Anfang an offen und ist nicht von einem Fruchtblatt eingeschlossen. Entsprechend gehört die Eibe auch nicht den Blütenpflanzen/Bedecktsamen an, sondern den so treffend bezeichneten Nacktsamern oder Gymnospermen. Bei der Bestäubung der Gymnospermen werden Pollenkörner direkt auf eine Öffnung der Samenanlagen übertragen. Pollen und Samen werden hauptsächlich mit dem Wind verbreitet.
Erdgeschichtlich sind nacktsamige Pflanzen deutlich älter als Bedecktsamer: Es gibt sie seit etwa 360 Millionen Jahren. Aus ihnen gingen Bedecktsamer hervor. Beiden Pflanzengruppen gemeinsam ist, dass sie sich über Samen ausbreiten und nicht wie die noch früher entstandenen Moose, Farne und Schachtelhalme über Sporen. Heute gibt es nur noch wenige hundert Arten von Nacktsamern. Zur Zeit der Dinosaurier im Jura hatten sie ihre größte Ausdehnung mit hunderttausenden Arten! Insbesondere Palmfarne waren damals weit verbreitet, die heute in Mitteleuropa ausgestorben sind. In den Tropen finden sich noch etwa 100 Arten. [1]
Bei einem weiteren Vertreter der Gymnospermen, Ginkgo (Ginkgo biloba, Ginkgoaceae), könnte man angesichts der orangegelben, außen saftigen Samen wie bei der Eibe zunächst von einer Frucht ausgehen. Im Inneren befindet sich eine verholzte Samenschale, die im reifen Zustand Nährgewebe und Embryo umschließt. Die Familie Ginkgoaceae umfasst nur die Art Ginkgo biloba. Von ihr nicht unterscheidbare fossile Funde stammen aus dem frühen Tertiär. Man spricht von einem sogenannten lebenden Fossil. [2, 3]
Ebenfalls zu den Nacktsamern gehört die recht variable Familie der Zypressengewächse (Cupressaceae). Die immergrünen Bäume und Sträucher mit nadel-/schuppenförmigen Blättern finden sich in vielen Gärten und Parks: Lebensbäume (Thuja), Wacholder (Juniperus), Zypressen (Cupressus), Riesenmammutbaum (Sequoiadendron). Die schuppenförmigen Blätter überlappen sich oft dachziegelartig. Die Blüten der Zypressengewächse sind meist klein und windbestäubt. Einzelblüten sind in Blütenzapfen zusammengefasst, wobei die weiblichen häufig am Ende der Zweige wachsen. Eine Besonderheit findet sich beim heimischen Wacholder (Juniperus communis), bei der man zunächst wieder an einen Bedecktsamer denken könnte. Die weiblichen Zapfen bestehen aus zahlreichen Schuppenblättern, von denen die obersten drei zur Samenreife fleischig werden und eine geschlossene, beerenartige Scheinfrucht bilden: einen Beerenzapfen, der drei Jahre Entwicklungszeit benötigt. [2, 3]
Mit etwa 220 Arten die größte und bekannteste Familie der Gymnospermen sind sicherlich die Kieferngewächse (Pinaceae) [1]. Durch einen langsamen Lebensrhythmus sind sie besonders gut an Kälte angepasst und wachsen hauptsächlich auf der nördlichen Hemisphäre. Heimische Vertreter sind u.a. Weiß-Tanne (Abies alba), Lärche (Larix decidua), Wald-Kiefer (Pinus sylvestris) und Fichte (Picea abies). Schraubig angeordnete Staubblätter bilden die männlichen Blüten der Kieferngewächse. Samen reifen in weiblichen Zapfen, die aus Samen- und Deckschuppen zusammengesetzt sind. Die Samenanlagen befinden sich frei auf den Samenschuppen, wo sie von außen nicht sichtbar sind. Zur Blütezeit weichen die Schuppen auseinander, um eine Bestäubung mit Pollen zu ermöglichen. Danach wachsen die Samenschuppen weiter, verholzen und bilden mit Deckschuppen und Blütenstandsachse einen Zapfen, der sich öffnet, sobald die meist geflügelten Samen reif sind. Zwischen der Bestäubung und Befruchtung vieler Kiefern-Arten liegt ein ganzes Jahr, bei der Fichte erfolgen Bestäubung und Samenreife innerhalb einer Vegetationsperiode [2].
Es gibt weitere Familien innerhalb der Gymnospermen – die oben beschriebenen gehören aber zu denen, auf die man bei uns am häufigsten trifft. Um nachzuvollziehen, wie Pflanzenstrukturen aufgebaut sind, finde ich es hilfreich mit der Lupe im Gepäck loszuziehen und möglichst viele verschiedene Arten genau zu betrachten – so lernt man am meisten!
Im Umgang mit essbaren Wildpflanzen gilt: Sammle nur, was du hundertprozentig bestimmen kannst und nicht unter Naturschutz steht. Probier erst eine kleine Menge, wenn du eine Wildpflanze zum ersten Mal zu dir nimmst. Recherchiere potentielle Kontraindikationen, z.B. bei Medikamenteneinnahme, Schwangerschaft oder Allergien. Für Schäden kann keine Haftung übernommen werden.
Literatur
[1] Elpel, T. J.: Botany in a Day APG – The Patterns Method of Plant Identification. HOPS Press, Pony 2018.
[2] Lüder, R.: Grundkurs Gehölzbestimmung. Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim 2012.
[3] Bresinsky, A., Körner, C., Kadereit, J. W., Neuhaus, G., Sonnewald, U.: Strasburger – Lehrbuch der Botanik. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 36. Auflage 2008.
Sehr interessanter Beitrag – bin zufällig darauf gestossen – gut recherchiert und informativ mit Bilder illustriert. Wünsche ich noch viel ERfolg mit dem Blog…. Schöne Grüße aus Österreich
Danke, Jolanta! Liebe Grüße zurück! Julia